GONE Verloren
großen Hoffnungen. Aber er hoffte, dass ihm die Musik helfen würde, wieder einzuschlafen.
Um die anderen nicht zu wecken, durchquerte er den Raum auf Zehenspitzen, schlich an dem Sofa vorbei, wo er beinahe gegen Astrids Hand gestoßen wäre, und ging um den Tisch herum. Während er vorsichtig den Stuhl zur Seite schob, achtete er darauf, das mit Pokalen – hauptsächlich vom Golfspiel – vollgestellte Glasregal direkt hinter sich nicht zu berühren. Etwas streifte seinen Fuß, und als er eine Ratte davonflitzen sah, erschrak er so sehr, dass er einen Satz nach hinten machte und in das Glasregal stieß.
Der Krach zerriss die Stille.
Petes Augen flogen auf.
»Entschuldige«, sagte Sam, doch noch bevor die nächste Silbe über seine Lippen kam, fing Pete an wie wild zu kreischen. Es klang wie das ohrenbetäubende, panische Geschrei eines Pavians.
»Es ist doch nichts passiert«, sagte Sam beschwichtigend. »E s …«
Weiter kam er nicht, denn sein Hals wurde mit einem Mal wie von unsichtbaren Händen zugedrückt.
Er konnte nicht mehr atmen.
Sam versuchte verzweifelt, sich aus dem Würgegriff zu befreien, während der kleine Pete weiterschrie und dabei mit den Armen flatterte wie ein Vogel, der fliegen möchte.
Edilio und Quinn stürzten herbei.
Vor Sams Augen tanzten rote Flecken, seine Sicht verdunkelte sich und sein Herz hämmerte wie verrückt. Seine Lunge zog sich krampfhaft zusammen.
»Petey, Petey, es ist alles in Ordnung«, beruhigte Astrid ihren Bruder. Sie streichelte seinen Kopf und hielt ihn in den Armen. Ihre Augen waren starr vor Angst. »Fensterplatz, Petey. Fensterplatz, Fensterplatz, Fensterplatz.«
Sam prallte gegen den Schreibtisch.
Astrid tastete nach Petes Gameboy. Sie schaltete ihn ein.
»Was ist los?«, schrie Quinn.
»Er hat ein lautes Geräusch gehört«, erwiderte Astrid. »Das hat ihn erschreckt. Wenn er Panik bekommt, flippt er aus. Es ist alles okay, Petey, alles okay. Ich bin ja da. Hier, dein Gameboy.«
Sam wollte sie anfahren, dass gar nichts okay war, dass er drauf und dran war zu ersticken, brachte aber keinen Ton hervor. Ihm wurde schwindlig.
»Hey, Sam, was ist mit dir?«, hörte er Quinn fragen.
»Er bekommt keine Luft!«, rief Edilio.
»Kannst du den Spinner nicht zum Schweigen bringen?«, brüllte Quinn.
»Er hört erst auf, wenn sich alle beruhigt haben«, presste Astrid unter Tränen hervor. »Fensterplatz, Petey, geh zu deinem Fensterplatz.«
Sam knickte auf einem Knie ein.
Das war verrückt. Er würde sterben.
Ihn packte eine unsägliche Angst.
Um ihn herum wurde alles schwarz.
Wie automatisch streckte Sam die Hände aus, die Handflächen zeigten nach vorne.
Plötzlich durchzuckte ein Lichtblitz das Büro, so gleißend und grell, als wäre ein kleiner Stern zur Supernova geworden.
Sam wurde ohnmächtig.
Zehn Sekunden später war er wieder bei Bewusstsein. Er lag auf dem Rücken und schaute in die verängstigten Gesichter von Quinn und Edilio.
Der kleine Pete war still. Sein Blick klebte auf dem Display des Gameboys.
»Lebt er?« Quinns Stimme kam wie aus weiter Ferne.
Sam atmete ein, tief und unverhofft. Dann noch einmal.
»Ja, mich gibt’s noch«, krächzte er.
»Wie geht es ihm?« In Astrids Stimme schwang die Angst mit, dass Pete gleich wieder loslegen könnte.
»Wo ist auf einmal dieses Licht hergekommen?«, wollte Edilio wissen. »Habt ihr das gesehen?«
»Mann, das war bestimmt auch noch auf dem Mond zu erkennen.« Quinns Augen waren weit aufgerissen.
»Raus hier!«, rief Edilio.
»Wo sollen wi r …?«, fragte Astrid.
Edilio fiel ihr ins Wort. »Völlig egal. Nur raus hier.«
»Du hast Recht.« Quinn packte Sam unter den Schultern und half ihm aufzustehen.
In Sams Kopf drehte sich alles und seine Beine zitterten. Es wäre sinnlos gewesen zu protestieren. Die Gesichter der anderen waren blass vor Panik. Dies war gewiss nicht der richtige Zeitpunkt für Diskussionen oder eine Erklärung.
Er traute seiner Stimme nicht, deutete lediglich zur Tür und nickte.
Sie rannten los.
Dreizehn
258 Stunden, 59 Minuten
Sie rannten, als wäre der Teufel hinter ihnen her. Quinn an der Spitze, Edilio auf einer Höhe mit Astrid und dem kleinen Pete. Sam, der immer noch benommen war, versuchte mit ihnen mitzuhalten.
Sie hielten erst an, als sie durch das Haupttor gestürmt waren. Nach Luft schnappend beugten sie die Oberkörper vor und stützten die Hände auf den Knien ab. Vor ihnen herrschte tiefste Finsternis. Das hinter ihnen liegende und
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