Goodbye Chinatown: Roman (German Edition)
Vermutlich würde der Brief irgendwann bei Tante Paula landen, und die würde ihn uns irgendwann in die Fabrik mitbringen. »Ich glaube, Brief wird kommen. Vielen Dank, Mrs LaGuardia. Sie mir so viel geholfen.«
Sie beugte sich herunter und gab mir einen Kuss auf die Wange. Eine Parfümwolke umhüllte mich. »Es war mir eine Freude.«
Ich sah Tyrone Arm in Arm mit der Frau mit dem Federhut davongehen, die wohl seine Mutter sein musste. Er winkte mir zum Abschied zu.
Annette schlang von hinten die Arme um mich. »Ich kann es noch gar nicht glauben, dass du auch auf die Harrison gehst! Wir werden so viel Spaß zusammen haben!«
Ich befreite mich aus ihrer Umarmung, und sie legte den Kopf schief und fragte: »Warum hast du mir erzählt, du hättest die Prüfung nicht bestanden?«
»Ich wusste nicht genau«, antwortete ich. Annette schien sich mit dieser Antwort zufriedenzugeben und drehte sich zu ihren Eltern um, die hinter ihr standen.
»Hallo Kimberly«, sagte Mrs Avery. »Unsere herzlichsten Glückwünsche!« Sie streckte Mama die Hand entgegen. »Wie schön, Sie endlich kennenzulernen, Mrs Chang.«
»Hallo«, sagte Mama. Sie schüttelte erst ihr und dann Mr Avery die Hand. Er war ein ganzes Stück kleiner als seine Frau und schien den Hals recken zu müssen, damit sein Kopf überhaupt aus seinem Sonntagsanzug schaute.
»Wir gehen jetzt zur Feier des Tages Mittag essen«, verkündete Mr Avery. »Leisten Sie beide uns doch Gesellschaft!«
Mama sah mich verwirrt an. Ich übersetzte für sie und hoffte, dass sie nur dieses eine Mal Ja sagte.
»Nein, viele Dank«, antwortete Mama. »Wir …« Sie brach ab, weil ihr keine höfliche Ausrede auf Englisch einfiel.
»Müssen nach Hause«, ergänzte ich. »Wir noch was erledigen.«
»Oh«, sagte Mr Avery. »Das ist aber schade. Vielleicht das nächste Mal.«
»Viele Dank«, sagte Mama. »Sie sehr gut zu uns.«
Nachdem die Averys zu ihrem Mittagessen aufgebrochen waren, verließen auch Mama und ich die feiernden Menschen in der Aula und gingen zur U-Bahn-Station, um zur Fabrik zu fahren. Ich sonnte mich noch immer in der Aufregung der Feier, und Mama war so glücklich über meine Aufnahme an der Harrison, dass sie in der U-Bahn nur einen flüchtigen Blick auf mein Zeugnis warf.
In der Fabrik angekommen arbeiteten Mama und ich, so schnell wir konnten, um die versäumte Arbeit nachzuholen. Plötzlich stand Tante Paula vor uns. Sie kam normalerweise nicht in unseren Bereich, es sei denn, sie überprüfte Qualität und Stückzahl, bevor eine Lieferung die Fabrik verließ.
»Wie war die Abschlussfeier?«, fragte sie.
»Sehr schön«, sagte Mama. »Danke, dass ich den Vormittag freinehmen durfte.«
»Würdet ihr beide bitte mitkommen?« Ihr Tonfall war höflich, aber Mama und ich tauschten dennoch besorgte Blicke aus. Ich fragte mich, ob es Probleme gegeben hatte, weil Mama am Morgen nicht in der Fabrik gewesen war.
Wir schlurften also hinter Tante Paula her und kamen an
Matt vorbei, der gerade aus der Männertoilette kam. Hinter Tante Paulas Rücken suchte er meinen Blick und äffte sie nach, indem er sich kratzte. Ich unterdrückte ein Lachen.
Im Büro bot uns Tante Paula zwei Stühle an. Onkel Bob musste gerade unterwegs sein.
»Ich habe einen Brief für Kimberly.« Sie hielt uns einen dicken braunen Briefumschlag mit dem Harrison-Wappen hin.
Ich nahm ihn entgegen. Trotz Tante Paulas derart zur Schau gestellter Beiläufigkeit war ich nervös. Warum hatte sie uns den Brief nicht einfach am Arbeitsplatz gegeben? Dass sie uns ins Büro geholt hatte, bedeutete, dass sie mit uns sprechen oder etwas herausfinden wollte.
»Willst du dich an dieser Schule bewerben?«, fragte sie.
Ich nickte. Mama holte Luft, vermutlich, um Tante Paula von unseren Neuigkeiten zu erzählen, aber Tante Paula kam ihr zuvor: »Warum habt ihr mich nicht um Rat gefragt?«
Mama musste es sich anders überlegt haben, denn sie sagte nur: »Es war nicht respektlos gemeint.«
»Natürlich nicht. Es ist nur so, dass diese Schule sehr leistungsorientiert ist, und ich hätte euch helfen können, eine Schule auszusuchen, die für Kimberly vielleicht besser geeignet ist.«
»Kennst du die Harrison School?«, fragte ich.
»Natürlich. Ich habe mich ausführlich informiert, um die richtige Schule für Nelson zu finden. Harrison ist eine renommierte, wunderschöne Schule. Aber es ist sehr schwer, dort angenommen zu werden, und extrem teuer ist sie auch.«
»Ja«, gab ihr Mama recht,
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