Google-Mitarbeiter Nr. 59
besonderes Suchergebnis sei, dem wir wegen seiner Qualität Priorität gegenüber dem restlichen Müll gaben.
Omid Kordestani war unser Leiter der Geschäftsentwicklung und verantwortlich für die Umsatzentwicklung von Google. Er begann damit, den Deal mit RealNames zu verteidigen, aber als ich gerade damit rechnete, dass er sämtliche Schlussfolgerungen als fehlerhaft abtat, sagte er etwas Seltsames: »Es sollte für Google keinen Grund geben, seine Qualität zu verraten, nicht einmal für hohen Umsatz.«
Wie bitte? Ein Geschäftsmann lehnte Geld ab, das er bereits in der Hand hielt? Ich war platt. Wer war dieser »Vertriebsmann«, der über seine Provision hinaussehen konnte?
Im Frühjahr 1999 hatten Larry und Sergey Omid eingestellt – einen Stanford-MBA und ehemalige Führungskraft bei Netscape. Er war Mitarbeiter Nr. 11. Sein schwarzer Anzug von Armani verpasste ihm eine schlanke Silhouette trotz des Reisegewichts, das er als Souvenir seiner Verkaufsgespräche, für die er durch die ganze Welt tourte, mit sich trug. Er lächelte viel und lachte gern. Er hörte anderen zu, wenn sie etwas sagten. Ich befürchtete, dass er zu nett war, um für uns gute Geschäfte abzuschließen. Wo war die gezwungene Ernsthaftigkeit, wie sie in professionellen Vertriebsschulungen geformt wurde? Wo war das prügelnde, schlitzende, urreptilien-geistige Bedürfnis, unsere Konkurrenz zu zerquetschen, zu verschlingen und zu zerstören? Omid erdrückte einen höchstens mit seiner Freundlichkeit – und er verschlang nur Desserts. Mit der Zeit fraß Google zwar seine überflüssigen Pfunde weg, nicht jedoch seine knuddelige Teddybären-Persönlichkeit, hinter der sich ein überaus intelligenter und analytischer Verstand verbarg. Omid erkannte stets, an welchem Punkt man sich handelseinig werden würde. Er führte beide Seiten zu diesem Punkt, ohne unterwegs nach den Fersen des anderen zu schnappen – allerdings ließ er manchmal andere von der Leine, die nur allzu gern ihre Krallen zeigten.
»Wenn die Ergebnisse von RealNames schlecht sind, dann sind sie wirklich schlecht«, merkte Sergey an. »Das muss aber nicht heißen, dass wir sie nicht haben sollten. Wir müssen sie deutlich von den Google-Ergebnissen abgrenzen, damit die User erkennen, dass es sich um etwas Bezahltes handelt.«
Larry wollte überhaupt nichts verändern. »Ich denke nicht, dass es ein Problem ist, wenn die Leute RealNames-Links für unsere Suchergebnisse halten«, sagte er. »Wenn das Ergebnis besser ist, dann sollten sie ruhig auf den RealNames-Link klicken. Solange jedem klar ist, dass es sich dabei nicht wirklich um ein Suchergebnis handelt, ist das für mich in Ordnung.« Davon abgesehen wollte er RealNames kein kostenloses Branding geben, indem er Links mit dem RealNames-Begriff »Internet keyword« kennzeichnete. Das konnte sie dabei unterstützen, zu einem Wettbewerber heranzuwachsen.
»Ein bisschen besser fürs Geschäft, ein bisschen schlechter für UI«, bestätigte Larry. Aller Wahrscheinlichkeit nach, so dachte er, würde RealNames in einem Jahr sowieso nicht mehr existieren. Der Gesellschaft wäre mehr gedient, wenn wir deren Kapital nutzten, um Google zu verbessern, bevor es dem Bankrott zum Opfer fiel.
Es überraschte mich, dass Larry die Sache so locker nahm. Er schien sich auf die Vorstellung zurückzuziehen, unsere Integrität zu wahren. Glücklicherweise war jemand bereit, auf die Gefahr hinzuweisen.
»Ich könnte nicht weniger deiner Meinung sein«, sagte Urs. »Auch wenn es vielleicht eine relativ milde Form davon ist, so bleibt es doch bezahlte Werbung, und das nach einem ›objektiven‹ Ergebnis aussehen zu lassen ist Betrug. Die New York Times ist nicht deshalb zu einer führenden Zeitung aufgestiegen, weil sie die Grenzen zwischen bezahlten Anzeigen und unabhängigen Nachrichten verwischt hat.«
Es war Marissa, die eine Lösung fand. Sie untersuchte, wie andere Such-Websites die RealNames-Ergebnisse einbrachten, und kam zu dem Schluss, dass unsere UI nicht die gleichen Standards erfüllte. Sie schickte Vorschläge an alle, welche die RealNames-Einträge deutlicher von unseren Einträgen abgrenzten, und Larry suchte einen davon aus. Die Partnerschaft hielt zwölf Monate. Und ein Jahr, nachdem wir sie beendet hatten, war RealNames nicht mehr im Geschäft.
Nachdem das Problem gelöst war, dachte ich über das nach, was ich gesehen hatte. Bei Mercury News zogen sich Bewilligungen über Monate hin und erforderten schriftliche
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