GOR-Zyklus 01 - Gor - die Gegenerde
Dienst wieder aufnehmen.
In diesem Jahr fiel die Ehre des Kornopfers der Tochter des Ubar zu. Ich wußte nichts über sie – nur daß sie T a lena hieß und als eine der Schönheiten von Ar galt und daß ich sie töten sollte. Nach dem Plan des Rates von Ko-ro-ba sollte ich im Augenblick des Opfers, um die zwa n zigste goreanische Stunde – die unserer Mitternacht en t spricht – auf dem Dach des höchsten Zylinders in Ar landen, die Tochter des Ubar umbringen und ihren Kö r per und den Heimstein davontragen. Das Mädchen hätte ich im Sumpfland nördlich von Ar abzuwerfen und den Stein nach Ko-ro-ba zu bringen. Das Mädchen Sana, das im Sattel vor mir saß, müßte die schweren Roben und Schleier der Toten anlegen und an ihrer Stelle in das I n nere des Zylinders zurückkehren. Es würde vermutlich einige Minuten dauern, bis ihre Identität entdeckt war, und dann sollte sie das Gift nehmen, das ihr der Rat zur Verfügung gestellt ha t te.
Zwei Mädchen sollten in dieser Nacht sterben, nur d a mit ich mit dem Heimstein entfliehen konnte, ehe es Alarm gab. Ich wußte, daß ich diesen Plan nicht ausfü h ren würde. Abrupt änderte ich den Kurs und lenkte me i nen Tarn auf die blaue, schi m mernde Bergkette zu. Das Mädchen vor mir stöhnte und schüttelte sich, und ihre Hände fuhren unsicher an die Sklavenhaube, die ihren Kopf bedeckte.
Ich half ihr beim Lösen der Haube und war entzückt, als ihr langes blondes Haar im Winde fla t ternd an meiner Wange entlangstrich. Ich steckte die Haube in die Satte l tasche und betrachtete sie bewundernd – nicht nur wegen ihrer Schönheit, sondern auch wegen ihrer offensichtl i chen Furch t losigkeit. Jedes normale Mädchen hätte Grund zur Angst gehabt – die Höhe, in der sie sich b e fand, das wilde Tier, auf dem sie ritt, die Aussicht auf ein schreckliches Schicksal, das sie am Ende dieses Fluges erwartete. Aber sie war ein Mädchen aus dem gebirgigen Thentis; dort ängstigten sich die Mä d chen nicht so schnell.
Sie sah sich nicht um, sondern betrachtete ihre Handg e lenke und rieb sie vorsichtig.
»Du hast mich losgebunden«, sagte sie. »Und du hast mir die Haube abgenommen – warum?«
»Ich dachte, es wäre bequemer für dich«, erwide r te ich.
»Du behandelst eine Sklavin mit ungewöhnlicher Rücksicht«, sagte sie. »Danke.«
»Du hast keine … Angst?« fragte ich. »Ich meine – wegen des Tarn? Du bist doch sicher schon auf einem Tarn geritten. Ich hatte beim erstenmal große Angst.«
Das Mädchen wandte verblüfft den Kopf. »Frauen dü r fen selten auf dem Rücken von Tarns reiten«, sagte sie. »Im Tragkorb schon, aber nicht wie ein Krieger.« Sie hielt inne. »Du hast gesagt, du hättest Angst gehabt«, sagte sie.
»Das stimmt auch«, lachte ich und erinnerte mich an die Aufregung und an das seltsame Kribbeln der Gefahr.
»Warum sagst du einer Sklavin, daß du Angst ha t test?« fragte sie.
»Weiß ich nicht«, erwiderte ich. »Jedenfalls hatte ich Angst.«
Sie blickte wieder nach vorn. »Ich bin schon einmal auf dem Rücken eines Tarn geritten«, sagte sie bitter. »Im Sattel gefesselt, auf dem Wege nach Ko-ro-ba, wo ich verkauft wurde.«
Sie betrachtete den Horizont und erstarrte plötzlich. »Das ist nicht der Kurs nach Ar«, rief sie aus.
»Ich weiß«, sagte ich.
»Was tust du?« Sie wandte sich zu mir um und starrte mich mit aufgerissenen Augen an. »Wohin fliegst du, Herr?«
Das Wort ›Herr‹ verwirrte mich, auch wenn es zu Recht von einem Mädchen benutzt wurde, das ta t sächlich mein Eigentum war.
»Nenn mich nicht ›Herr‹«, sagte ich.
»Aber du bist mein Herr«, sagte sie.
Ich zog den Schlüssel zu Sanas Kragen aus meiner T u nika. Ich öffnete das Schloß des Stahlbandes, zerrte das Gebilde von ihrem Hals und warf es in die Tiefe.
»Du bist frei«, sagte ich. »Wir fliegen nach The n tis.«
Sie saß erstarrt vor mir, und ihre Hände betasteten u n gläubig den nackten Hals. »Warum?« fragte sie. »Wa r um?«
Was konnte ich ihr sagen? Daß ich aus einer anderen Welt kam, daß ich entschlossen war, nicht alles anzue r kennen, was in Gor selbstverständlich war, daß sie mir in ihrer Hilflosigkeit nicht gleichgültig gewesen war, daß ich sie einfach nicht als Instrument des Rates sehen konnte, sondern nur als Mä d chen, jung, voller Leben, ein Mädchen, das nicht in einem politischen Spiel geopfert werden durfte …?
»Ich habe meine Gründe«, sagte ich, »aber ich bin nicht sicher, daß du sie verstehen
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