GOR-Zyklus 06 - Die Piratenstadt von Go
Tanz.
Ich trank mehr Paga.
Vor vier Tagen hatten wir die Kanäle der Stadt e r reicht, nachdem wir zwei Tage durch die Sümpfe gefa h ren waren.
Wir waren in einen der Kanäle eingebogen, die Port Kar zu den Sümpfen hin abgrenzen. Dabei hatten wir festgestellt, daß der Wasserlauf durch schwere Gatter aus starken Eisenstäben geschützt war, die bis tief ins Wasser reichten.
Telima hatte entsetzt auf diese Tore geschaut. »Als ich aus Port Kar floh, gab es so etwas nicht.«
»Hättest du fliehen können, wenn es die Tore gegeben hätte?« fragte ich.
»Nein«, flüsterte sie.
Die Tore hatten sich hinter uns geschlossen.
Auf unserer Fahrt durch die Kanäle hatten sich hier und da Männer aus den Fenstern gebeugt und Geldbetr ä ge für die Mädchen geboten. Unsere vier Sklavinnen – Midice, Thura, Ula und Telima – waren ja auch wirklich schön anzuschauen. Tags darauf wollten wir sie mit Brandzeichen versehen und Eisenkragen für sie erstehen.
Während ich noch das Tanzmädchen beobachtete, gab es plötzlich einen Aufruhr, als ein riesiger, wild auss e hender Bursche mit eng beieinanderstehenden Augen und nur einem Ohr in die Taverne stürmte, gefolgt von zwa n zig bis dreißig Seeleuten.
»Paga! Paga!« brüllten die Männer, warfen Tische um und vertrieben die anderen Gäste.
Mädchen rannten herbei, um sie zu bedienen.
»Das ist Surbus«, sagte ein Mann neben mir zu seinem Begleiter.
Der häßliche Mann, der der Anführer der Gruppe zu sein schien, packte eins der Pagamädchen, verdrehte ihr den Arm und zerrte sie auf einen der Alkoven zu; es war das Mädchen, das mich bedient hatte. Einem anderen Mädchen entriß er einen Krug Paga, leerte ihn und ve r schwand mit seinem Opfer. Das Tanzmädchen in der Sandarena hatte ihren Tanz unterbrochen und kauerte am Boden. Andere Seeleute machten es ihrem Anführer nach.
Ich hatte den Namen Surbus schon gehört. Er war b e kannt unter den Piratenkapitänen Port Kars, der Geißel des schimmernden Thassa. Er war Pirat, Sklaventreiber, Mörder und Dieb – wahrlich ein grausamer und unwü r diger Mann. Ich empfand Ekel.
Und dann erinnerte ich mich an meine eigene Unwü r digkeit, an meine Grausamkeit und Feigheit.
Ich hatte nur zu oft erfahren müssen, daß unter har m losem Äußeren oft die Herzen von Sleen und Tharlarion schlagen und daß Moral und Biederkeit vielfach nur die Klauen und Reißzähne verhüllen. Zum erstenmal begann ich Gier und Egoismus zu verstehen. In dieser Stadt gab es mehr Ehrlichkeit als in allen anderen Städten Gors. Hier verachten es die Menschen, die Grausamkeit ihrer Taten mit der Falschheit des Mundes zu tarnen. Hier ga l ten allein die Realitäten des menschlichen Lebens – daß letztlich nur Gold und Macht und der Körper einer Frau zählten und der Stahl des Schwertes das Mittel war, sich diese Realitäten zu verschaffen.
Ich trank aus meiner Pagaschale.
Ein Schrei ertönte, und das Mädchen, das Surbus in den Alkoven gezerrt hatte, stürzte blutend hervor.
»Schützt mich!« rief sie verzweifelt in die Runde. Sie taumelte in meine Richtung und hielt mir die gefesselten Handgelenke hin. »Schütze mich!« flehte sie.
»Nein«, sagte ich.
Im nächsten Augenblick hatte sich Surbus auf sie g e stürzt, zerrte sie an den Haaren zurück. Stirnrunzelnd starrte er mich an.
Mehrere Männer lachten. Ich blickte in meinen Paga. Die Sache ging mich nichts an.
»Du hast recht gehandelt«, sagte ein Mann am Nebe n tisch zu mir. »Das war Surbus.«
»Einer der besten Schwertkämpfer in Port Kar«, b e merkte ein anderer.
»Oh«, sagte ich.
Port Kar, das schmutzige, ehrgeizige Port Kar, die Geißel des schimmernden Thassa, der Tarn des Meeres, ist eine ausgedehnte Ansammlung von Gebäuden, fast jedes für sich eine Festung, aufeinandergeschichtet, ve r schachtelt – und durchzogen von Hunderten von Kan ä len. Tatsächlich ist die Stadt befestigt, obwohl sie keine Stadtmauern im normalen Sinn besitzt. Die Gebäude, die die Stadtgrenze bilden, am Delta oder am flachen Ta m bergolf, haben auf der Außenseite keine Fenster, ihre Mauern sind dort meterdick, und Bastionen erheben sich auf ihren Dächern. Die Kanäle, die sich in das Tambe r delta ergießen, waren in den letzten Jahren mit schweren Eisentoren versehen worden. In Port Kar gibt es übrigens keine Turmbauten, wie sie oft in den Städten des No r dens anzutreffen sind. Sie ist die einzige mir bekannte Stadt, die nicht von freien Menschen, sondern von Skl a ven erbaut
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