GOR-Zyklus 06 - Die Piratenstadt von Go
gegeben.«
»Du hast mich auch vernichtet!« sagte ich.
»Niemand hat dich vernichtet«, erwiderte sie.
Ich hatte mir einmal geschworen, nie wieder eine Frau zu verlieren – und nun war Midice gegangen. Ich war berühmt und mächtig und reich – doch das alles war mir nicht mehr wichtig. Ich hatte eine Niederlage hinnehmen müssen. Mein Stolz war verletzt.
»Es ist nicht leicht«, sagte ich zu Telima, »zu lieben und nicht wiedergeliebt zu werden.«
»Ich weiß«, sagte sie.
Ich nahm Telimas Kopf in die Hände. »Meine stolze Telima«, sagte ich, »meine frühere Herrin …« Und die nächsten Worte, die ich sprach, schienen nicht von mir selbst zu kommen, sondern von einem verborgenen W e sen in meinem Innern … Seit ich vor Ho-Hak auf der Renceinsel hockte, gefesselt, versklavt, waren solche verzweifelten Worte nicht über meine Lippen geko m men. »Ich bin unglücklich, ich bin einsam«, flehte ich.
»Ich bin auch einsam«, sagte Telima.
Wir streckten uns die Arme entgegen, und unsere Hände berührten sich, umfaßten sich. Und dann standen wir eng umschlungen in der Mitte meines Quartiers.
»Ich liebe dich!« schluchzte ich.
»Und ich liebe dich, mein Ubar. Ich liebe dich seit dem Augenblick, da wir uns zum erstenmal begegneten.«
16
Wir lagen Seite an Seite und starrten zur Decke hinauf.
»Vor Jahren«, sagte Telima, »als ich noch viel jünger war, da habe ich viel von Tarl aus Bristol singen hören.«
»In den Sümpfen?« fragte ich.
»Ja. Manchmal verirrt sich ein Sänger bis zu den Re n ceinseln. Aber in Port Kar, im Hause meines Herrn, wu r de ebenfalls von Tarl aus Bristol gesungen.«
Telima hatte mir nie von ihrer Sklavenzeit in Port Kar erzählt. Ich wußte, daß sie ihren Herrn gehaßt hatte und daß ihr die Flucht gelungen war. Und ich spürte, daß di e se Zeit tiefe Wunden in ihr hinterlassen hatte. In den Sümpfen hatte ich leider etwas von ihrem Haß und ihrer Frustration zu spüren bekommen. Die Wunden waren tief gewesen, so tief, daß sie sich auf grausame Weise hatte rächen wollen, damit ihr eigenes Leiden erträglicher wurde. Telima war eine seltsame Frau. Ich fragte mich erneut, wie sie zu dem goldenen Armreif gekommen war. Und ich erinnerte mich, daß sie ja die Schrift auf ihrem Sklavenkragen hatte lesen können, obwohl sie aus den Sümpfen kam.
Aber ich erwähnte diese Dinge nicht, denn der Ton i h rer Stimme war nun träumerisch, ihre Gedanken schwei f ten ab in die Vergangenheit.
»Als ich noch jung war, auf den Renceinseln«, sagte sie, »und später, als Sklavin – da lag ich oft nachts wach und dachte an die Lieder und an die Helden.«
Ich berührte ihre Hand.
»Und manchmal dachte ich auch an Tarl aus Bristol.«
Ich schwieg.
»Glaubst du, daß es einen solchen Mann gibt?«
»Nein.«
»Könnte jemand wie er nicht existieren?« fragte sie. Sie hatte sich auf den Bauch gerollt und sah mich an. Ich blieb auf dem Rücken liegen und starrte an die Decke.
»In Liedern«, sagte ich. »So einen Mann mag es in Liedern geben.«
Sie lachte. »Gibt es denn keine wirklichen Helden?«
»Nein, Helden gibt es nicht – nur Menschen.«
Sie schwieg.
»Menschen«, sagte ich, »sind schwach. Sie können grausam sein. Sie sind egoistisch und gierig, eitel und engstirnig. Sie können sich bösartig verhalten, und in ihnen ist viel Häßliches und Verachtenswertes.« Ich sah sie an. »Alle Menschen sind zu korrumpieren. Es gibt keine Helden, keine Tarls aus Bristol.«
Sie lächelte. »Es gibt nur Gold und Macht«, sagte sie.
»Und die Körper der Frauen«, sagte ich.
»Und die Lieder.«
»Ja, auch Lieder.«
Sie legte den Kopf an meine Schulter.
In der Ferne erklang eine große Signalglocke. Obwohl es noch früh war, wurde es unruhig im Haus. Irgendwo brüllten Männer. Ihre Rufe hallten durch die Korridore. Ich richtete mich auf und zog eine Robe an. Schritte h a steten durch den Gang, kamen näher.
»Schwert«, sagte ich zu Telima.
Sie sprang auf, ergriff meine Klinge, die an der Wand lag.
Ich legte hastig den Gurt um. Die Schritte waren nun ganz nahe. Im nächsten Augenblick dröhnte eine Faust gegen die Tür.
»Kapitän!« rief jemand.
Es war Thurnock.
»Tritt ein!« sagte ich.
Thurnock eilte in den Raum. Er trug eine Fackel in der Hand, und seine Augen waren unnatürlich geweitet. »P a trouillenschiffe sind zurückgekehrt!« rief er. »Die verei n ten Flotten von Cos und Tyros sind nur noch Stunden entfernt!«
»Macht meine Schiffe zum Auslaufen
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