GOR-Zyklus 06 - Die Piratenstadt von Go
fertig!« sagte ich.
»Dazu ist keine Zeit mehr!« sagte er. »Und die Kap i täne ergreifen die Flucht. Wer kann, verläßt die Stadt!«
Ich starrte ihn an.
»Flieh, mein Kapitän! Flieh!«
»Du kannst gehen, Thurnock«, sagte ich.
Er starrte mich verwirrt an, machte kehrt und stolperte in den Korridor hinaus. In der Ferne erklang der Angs t schrei eines Mädchens.
Ich kleidete mich an und hängte mir das Schwert über die linke Schulter.
»Nimm deine Schiffe und deine restlichen Männer«, sagte Telima. »Füll die Laderäume mit Schätzen und flieh, mein Ubar!«
Ich betrachtete sie. Wie schön sie war!
»Port Kar soll sterben!« rief sie.
Ich ergriff das breite rote Band mit dem Medaillon, nahm es ab und steckte es in den Beutel an meinem Gü r tel.
»Port Kar soll brennen!« sagte Telima.
»Du bist sehr schön, mein Schatz«, sagte ich. »Aber Port Kar ist meine Stadt – ich muß sie verteidigen.«
Ich hörte sie weinen, als ich mein Quartier verließ.
Seltsamerweise erfüllte mich keine Unruhe, als ich in den großen Saal zurückkehrte, in dem das Siegesfest stattgefunden hatte. Ich schritt durch den Gang, als wäre ich nicht ich. Ich wußte, was ich tun würde, und doch wußte ich es nicht.
Zu meiner Überraschung fand ich in der großen Halle die Offiziere meiner Männer versammelt – ich glaube, es fehlte keiner.
Ich ließ meinen Blick von Gesicht zu Gesicht wandern – von Thurnock zu Clitus, zum Rudermeister, zu den a n deren. Viele Männer waren Halsabschneider, Mörder, Piraten. Ich fragte mich, warum sie jetzt hier waren.
Eine Seitentür wurde aufgestoßen, und Tab eilte he r ein, das Schwert über der linken Schulter. »Tut mir leid, Kapitän«, sagte er, »ich war gerade auf meinem Schiff beschäftigt.«
Wir starrten uns einen Augenblick lang an. Dann l ä chelte ich. »Ich kann mich glücklich schätzen«, sagte ich, »einen so eifrigen Mann in meinen Diensten zu haben.«
»Kapitän«, sagte er.
»Thurnock«, sagte ich, »ich habe doch Befehl geg e ben, nicht wahr, daß meine Schiffe zum Auslaufen fe r tigzumachen sind.«
Thurnock grinste. »Schon eingeleitet.«
»Was sollen wir tun?« fragte einer meiner Kapitäne.
Was sollte ich darauf antworten? Wenn die vereinten Flotten von Cos und Tyros schon fast vor unserer Hafe n einfahrt standen, blieb uns kaum eine andere Möglichkeit als die Flucht – oder der Kampf. Eigentlich waren wir zu keinem bereit. Auch wenn wir die erbeuteten Schätze sofort nach meiner Rückkehr eingesetzt hätten, wäre es nicht möglich gewesen, eine Flotte auszurüsten, die e i nem solchen Gegner gewachsen war.
»Wie groß schätzt du die Flotte von Cos und Tyros?« fragte ich Tab.
Er zögerte nicht. »Viertausend Schiffe«, sagte er.
»Tarnschiffe?«
»Ausnahmslos.«
Seine Vermutung entsprach den Berichten meiner Spione. Nach meinen Informationen würde die Flotte aus viertausendzweihundert Einheiten bestehen, zweita u sendfünfhundert von Cos und siebzehnhundert aus Tyros. Die Gesamtflotte würde fünfzehnhundert Galeeren schwerer Klasse, zweitausend Schiffe mittlerer Klasse und siebenhundert kleine Galeeren enthalten. Ein Netz, hundert Pasang breit, zog sich um Port Kar zusammen.
Anscheinend war meinen Spionen das Auslaufen der Flotteneinheiten entgangen. Ich konnte ihnen jedoch ke i ne Schuld geben. Schiffe lassen sich schnell aus dem H a fen bringen und kampfbereit machen, wenn Material und Mannschaften zur Hand sind. Der Rat und ich hatten o f fenbar den Schaden zu hoch angesetzt, den die Erob e rung der Schatzflotte den Kriegsplänen Cos’ und Tyros’ zugefügt hatte. Wir hatten mit dem Vorrücken der Flotte erst im Frühling gerechnet. Wir schrieben den Monat Se’Kara, das Ende der guten Jahreszeit für die Tarnschi f fe. Unabhängig von den Rundschiffen sind Rammschiffe meistens nur im Frühling und Sommer unterwegs. Im Monat Se’Kara, besonders gegen Ende, ist das Thassa stürmisch. Wir waren völlig unvorbereitet. Es war die beste Gelegenheit, uns anzugreifen. Hinter diesem kü h nen Schachzug sah ich nicht die Hand von Lurius, des Ubar von Cos, sondern die Schlauheit Chenbars aus Ka s ra, des Ubar von Tyros.
Ich bewunderte ihn. Er war ein guter Kapitän.
»Was sollen wir tun, Kapitän?« fragte der Offizier noch einmal.
»Was schlägst du vor?« fragte ich lächelnd.
Er starrte mich verblüfft an. »Es gibt doch nur eine Möglichkeit – die Schiffe fertig machen zum Auslaufen, Sklaven und Schätze an Bord nehmen und fliehen.
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