GOR-Zyklus 09 - Die Marodeure von Gor
Svein Blue Tooth.
»Durch einen Trick, mein Jarl«, sagte sie. »Ich wurde in meinen eigenen Räumen gefangengenommen.«
»Wie hat man eure Wächter überlistet?«
»Der Weg führte aus dem Fenster meines Zimmers, spät in der Nacht. Ich wurde ins Meer geschleudert, gut fünfzig Fuß tief. Dort wartete ein Boot. Ich wurde wie ein Fisch an Bord geholt. Meine Herren folgten.«
Die Männer in der Halle stimmten ein lautes Jubelgeschrei an – und daran waren nicht nur Forkbeards Männer beteiligt, sondern auch die Krieger Svein Blue Tooths.
»Armes Mädchen!« rief Bera.
»So etwas kann jeder Frau passieren«, sagte Hilda. »Sogar dir, Herrin.«
»Die Männer sind Ungeheuer!« rief Bera und musterte Ivar und mich und seine Männer. »Schämt euch, ihr Ungeheuer!« rief sie.
»Svein Blue Tooth, Jarl von Torvaldsland, ich möchte dir Hilda, Tochter Thorgards von Scagnar, vorstellen«, sagte Ivar. »Und Hilda, Tochter Thorgards, dies ist Svein Blue Tooth, der Jarl von Torvaldsland.«
Hilda neigte ehrerbietig den Kopf.
»Armes Mädchen!« rief Bera. »Du mußt schrecklich gelitten haben!«
Hilda senkte den Kopf und antwortete nicht.
»Ich hätte es mir nicht träumen lassen, Hilda, die Tochter Thorgards von Scagnar, als Gefangene vor mir zu sehen!«
»Vor dir steht mehr als eine Gefangene, mein Jarl«, sagte sie.
»Wie meinst du das?«
Sie hob den Kopf und streifte das schimmernde Gewand zur Seite. »Ich trage den Kragen Ivar Forkbeards.«
Um die blasse empfindliche Haut ihres anmutig geschwungenen Halses zog sich der häßliche torvaldsländische Sklavinnenkragen.
»Du hast es gewagt, der Tochter Thorgards von Scagnar den Sklavenkragen anzulegen!« rief Bera.
»Mein Herr tut, was ihm gefällt, Herrin«, sagte Hilda.
»Sei still, Sklavin!« rief Bera. »Wenn ich mir vorstelle, daß ich vor einer Sklavin Mitleid gezeigt habe!«
Wütend raffte Bera ihre Röcke auf und zog sich in ihre Privatgemächer zurück.
»Du hast ihr den Kragen umgelegt!« lachte Svein Blue Tooth.
»Natürlich«, erwiderte Forkbeard.
»Großartig!« lachte Svein Blue Tooth und rieb sich die Hände. »Offenbar ist die Forderung des Wergelds erfüllt.«
»Ja«, sagte Forkbeard. »So sieht es aus.«
»Morgen früh verkünde ich die Aufhebung deines Banns«, sagte Blue Tooth.
Ich atmete auf. Offensichtlich kamen wir doch lebend aus der Halle Svein Blue Tooths heraus. Ich hatte bis zum letzten Augenblick einen Trick oder einen Verrat gefürchtet. Doch er hatte sein Urteil vor allen Männern verkündet. Und ich wußte inzwischen, daß man sich auf sein Wort verlassen konnte.
»Ich glaube, da besteht noch ein kleiner Irrtum«, sagte Ivar Forkbeard.
Ich stöhnte innerlich auf.
»Wie meinst du das?« fragte Blue Tooth.
»Wie kann das Wergeld denn bezahlt sein?« fragte Ivar Forkbeard.
Blue Tooth sah ihn ratlos an. Dann deutete er auf die Juwelen, das Gold und das Mädchen. »Du hast doch alles hier, um das Wergeld zu bezahlen.«
»Das ist richtig«, sagte Forkbeard und richtete sich zu seiner nicht unbeträchtlichen vollen Größe auf. »Aber wer hat dir gesagt, daß ich bereit bin, das Wergeld tatsächlich zu zahlen?«
Plötzlich begannen die Männer in der Halle zu jubeln – die Männer Forkbeards ebenso wie die des Jarls. Keiner von uns hatte diese Wendung erwartet – und doch hätte man so etwas von einem Mann wie Forkbeard erwarten müssen. Noch kein Mann des Nordens hatte seine Ehre so großartig verteidigt! Obwohl dieser Schritt für uns alle den Tod bedeuten mochte, für uns, die wir Forkbeard folgten, und vielleicht für hundert Kämpfer Blue Tooths – trotzdem jubelten wir! Das Herz klopfte mir bis in den Hals, das Blut pulsierte mir durch die Adern. Immer wieder schlug ich mir mit der rechten Handfläche gegen die linke Schulter. Ich hörte, wie Schwerter gegen Teller klapperten und Speerklingen gegen Schultern prallten. Es war ein unbeschreiblicher Lärm.
Langsam erhob sich Svein Blue Tooth. Er war außer sich vor Zorn.
Jeder Mann in der Halle wußte, daß sein Verwandter, ein entfernter Cousin namens Finn Broadbelt, im fairen Kampf gefallen war und daß das Wergeld eigentlich zu unrecht gefordert worden war; ebenso wußten alle Männer in dieser Halle, daß das festgesetzte Wergeld – auch wenn es berechtigt gewesen wäre – unvorstellbar hoch war, absichtlich so berechnet, daß die Erfüllung ausgeschlossen war, ein Wergeld, das voller Verachtung dazu führen sollte, daß Forkbeard für immer geächtet blieb.
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