GOR-Zyklus 12 - Die Bestien von Gor
von einer riesigen Nachbildung des Kaissaspielfelds eingenommen. Auf den Quadraten hi n gen an Pflöcken die Spielsteine in ihren Ausgangsste l lungen. Das Publikum würde den Kampf auf dieser A n zeigetafel verfolgen. Auf der linken Seite der Tafel w a ren zwei Spalten eingezeichnet, die eine gelb, die andere rot; hier würden die einzelnen Züge notiert werden. Äh n liche, wenn auch kleinere Tafeln standen überall auf dem Jahrmarkt, damit auch die Leute, die sich das Eintritt s geld für das Amphitheater nicht leisten konnten, dem Spiel zu folgen vermochten. Die einzelnen Züge wurden durch Boten auf dem Jahrmarktsgelände bekanntg e macht.
Es wurde still in der Menge.
Wir setzten uns.
Der Schiedsrichter, hinter dem sich vier weitere A n gehörige der Spielerkaste versammelt hatten, wandte sich von Scormus und Centius und den Registratoren ab.
Kein Laut war aus der Zuschauermenge zu hören.
Centius aus Cos und Scormus aus Ar nahmen ihre Plätze am Tisch ein.
Die Stille in dem weiten Rund war beinahe furchtei n flößend.
Scormus aus Ar neigte leicht den Kopf. Reginald aus Ti drehte das Knöpfchen an Centius' Uhr, woraufhin in Scormus' Uhr der Sand zu fließen begann.
Scormus hob die Hand. Er zögerte nicht. Der Zug wurde gemacht. Dann drehte er den Knopf an seiner Uhr, unterbrach den Sandstrom, gleichzeitig strömten die Sandkörner in Centius' Uhr.
Der Zug war natürlich Ubaras Speerträger auf Ubara fünf.
In der Menge wurde Jubelgeschrei laut.
»Das Ubara-Gambit!« rief ein Mann in meiner Nähe.
Wir sahen zu, wie die große gelbe Scheibe, die den Ubara-Speerträger darstellte, vor Ubara fünf auf den Pflock gehängt wurde. Dies wurde von zwei jungen Männern, Lehrlingen in der Spielerkaste, erledigt, die sich auf einer Art Gerüst bewegten. Ein dritter Jüngling verzeichnete den Zug mit roter Kreide links an der Tafel.
Viele hundert Männer im Publikum machten sich e benfalls eine Notiz. Einige hatten sogar kleine Pfloc k bretter bei sich, auf denen sie das Spiel verfolgen wol l ten. Sie hatten natürlich den Vorteil, daß sie Variationen und mögliche Fortführungen des Spiels viel anschaul i cher durchdenken konnten.
Das Ubara-Gambit gehört zu den bösesten und gn a denlosesten im Repertoire des Spiels. Von Turniermei s tern wird es oft gespielt. Man kann ihm schwer bege g nen, weil es keine klar definierte Gegenwehr gibt; man kann darauf eingehen oder sich zu wehren versuchen. Rot mußte die Hoffnung haben, diesen Angriff im mittl e ren Teil des Spiels zu neutralisieren; wenn es Rot gelang, um den zwanzigsten Zug den Gleichstand herzustellen, konnte er sich glücklich schätzen. Scormus aus Ar war zwar generell ein vielseitiger und sogar genialer Spieler, doch mit dieser Eröffnung zeigte er sich als besonders erfolgreich; im neunten Jahr des Ubarats von Phanias Thurmus hatte er damit bei den Turischen Turnieren g e wonnen, ebenso bei den Wettbewerben von Anango, Helmutsport, Tharna, Tyros und Ko-ro-ba, und das alles im Verlauf der letzten fünf Jahre, außerdem hatte das Gambit ihm bei den letzten Winterspielen am Sardar s o wie bei der Stadtmeisterschaft von Ar Erfolg gebracht, die knapp sechs Wochen zurücklag. Als Scormus in Ar den Heimstein seines Gegners eroberte, hatte Marlenus, Ubar dieser Stadt, das Spielbrett mit Gold überschüttet. Viele hielten die Stadtmeisterschaft von Ar für den zweitwichtigsten Kaissatitel auf Gor – nur die Meiste r schaft auf dem Jahrmarkt von En'Kara war mehr.
Natürlich war auch Centius aus Cos ein Meister des Ubara-Gambits. Er war sogar so gut darauf eingestellt, sowohl aus der Perspektive des gelben als auch des roten Spielers, daß er jetzt zweifellos auf Patt spielen würde. Aber ich nahm nicht an, daß es ihm gelingen konnte. Die Meisterspieler kennen diese Eröffnung in hundert ve r schiedenen Variationen auf mehrere Züge im voraus.
»Warum reagiert Centius nicht?« fragte der Mann n e ben mir.
»Keine Ahnung«, antwortete ich.
»Vielleicht will er aufgeben.«
»Jemand hat gesagt, Scormus würde die Eröffnung mit den beiden Tarnkämpfern wählen«, meinte ein anderer Mann.
»Dazu ist Centius aber zu stark«, meinte ein dritter.
»Er geht kein Risiko ein«, urteilte ein vierter.
Meine Überlegungen bewegten sich in ähnlichen Ba h nen. Scormus aus Ar war kein Dummkopf; er wußte, daß er einen Meister vor sich hatte, einen der sieben oder acht besten Spieler auf dem Planeten. Centius aus Cos hatte seine beste Zeit zweifellos hinter sich.
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