GOR-Zyklus 12 - Die Bestien von Gor
In den letzten Ja h ren hatten seine Spiele weniger wie Kämpfe ausgesehen, weniger wie zielstrebig geführte, brutale Duelle. Vie l mehr schien darin ein vages Bemühen zum Ausdruck zu kommen, auf dem Kaissabrett etwas zu erreichen, aber selbst die höchsten Mitglieder der Spielerkaste wußten nicht genau, was es war. Es gab sogar Spieler auf Gor, die höher eingeschätzt wurden als Centius aus Cos, doch irgendwie führte für Scormus aus Ar kein Weg an diesem Mann vorbei, wenn er an die Spitze wollte. Für viele war Centius aus Cos trotz seiner Siege oder Niederlagen oder Pattspiele der beste Kaissaspieler aller Zeiten. Und vor diesem strahlenden Ruf war Scormus' Stern doch ein w e nig verblaßt. »Ich werde ihn vernichten«, hatte Scormus gesagt. Trotzdem würde er mit Vorsicht spielen. Daß er das Ubara-Gambit gewählt hatte, zeigte den Respekt, den er vor Centius aus Cos empfand, und die Ernsthaftigkeit, mit dem er dieses Spiel anging.
Scormus würde wie ein Attentäter spielen. Er würde gnadenlos agieren und kein Risiko eingehen.
Centius aus Cos betrachtete das Spielfeld. Er schien in Gedanken versunken, als beschäftige ihn irgend etwas, das gar nichts mit dem Spiel zu tun hatte. Er hatte die rechte Hand über seinen Ubara-Speerträger gehoben, sie dann aber wieder zurückgezogen.
»Warum zieht er nicht?« fragte jemand.
Die angemessene Reaktion bestand darin, den eigenen Ubara-Speerträger auf Ubara fünf zu ziehen. Damit ist der Kampf um die Mitte des Spielfeldes eröffnet, und der gegnerische Speerträger kann nicht weiter vorrücken. Daraufhin rückt Gelb seinen Ubaras Tarnkämpfer Spee r träger auf Ubara-Tarnkämpfer fünf und greift damit den roten Speerträger an. Danach muß sich Rot entscheiden, ob er das Gambit akzeptiert oder abwehrt – er akzeptiert, indem er den Ubaras Tarnkämpfer Speerträger schlägt, damit aber die Mitte freigibt; oder die Eröffnung a b wehrt, indem er seinen Speerträger verteidigt und auf diese Weise einengen läßt. Das Gambit läßt sich auf be i de Arten spielen, doch ohne Hoffnung, den eingeschlo s senen Speerträger noch zum eigenen Vorteil einsetzen zu können. Wir wünschten uns, Centius möge seinen Ubara-Speerträger auf Ubara fünf vorrücken, damit Scormus den Ubaras Tarnkämpfer Speerträger auf Ubara-Tarnkämpfer fünf ziehen konnte. Und dann wollten wir sehen, wie Centius auf das Gambit reagierte.
»Weiß er nicht, daß seine Uhr offen ist?« fragte ein Mann.
Es schien mir seltsam, daß Centius in dieser Phase des Spiels nicht schneller reagierte. Wahrscheinlich brauchte er die Zeit später viel dringender, wenn er sich im mittl e ren Teil des Spiels der Angriffe und Kombinationen Scormus' erwehren mußte oder in der Schlußphase, wenn der Au s gang vielleicht von einem einzigen raffinierten Zug auf einem von Spielsteinen beinahe freien Feld a b hing.
Aus Centius' Uhr strömte der Sand.
Hätte Centius seinen Ubaras Speerträger berührt, hätte er die Figur ziehen müssen. Und hatte er die Figur b e wegt und losgelassen, mußte er sie dort stehenlassen – vorausgesetzt, der Zug paßte zu den Regeln des Spiels. Aber Centius aus Cos hatte den Ubaras Speerträger noch nicht berührt.
Eine Zeitlang musterte er das Spielbrett und bewegte dann einen Stein, ohne Scormus anzusehen.
Ich sah einen der Registratoren aufstehen. Scormus aus Ar musterte seinen Gegner. Die beiden jungen Mä n ner, die bereits die Scheibe des Ubaras Speerträgers zur Hand genommen hatten, sahen sich verwirrt an. Dann legten sie die Plakette fort.
Centius aus Cos drehte den Knopf an seiner Uhr, w o mit er das Ventil in Scormus' Uhr öffnete.
Auf der großen Tafel wurde nicht der Ubaras Spee r träger gezogen, sondern der Ubaras Speerträger auf Ubar fünf.
Diese Figur konnte nun vom gelben Ubaras Speertr ä ger geschlagen werden.
Lähmendes Schweigen herrschte in der Arena.
»Will er gegen einen Mann wie Scormus die Mitte l verteidigung spielen?« fragte jemand.
Das kam mir unglaublich vor. Ein Kind konnte die Mittelverteidigung einrennen. Seit Jahrhunderten waren die Schwächen dieser Taktik bekannt.
Mit der Mittelverteidigung soll der gelbe Speerträger aus der Mitte gelockt werden. Gelb kann den Angriff natürlich ignorieren und tiefer in das Gebiet der Roten eindringen. Andererseits läßt sich Gelb oft darauf ein, seitlich zuzuschlagen und den roten Speerträger zu schlagen. Daraufhin greift Rot mit seinem Ubar an. Le i der wird dadurch der Ubar, eine sehr wertvolle
Weitere Kostenlose Bücher