GOR-Zyklus 19 - Kajira von Gor
dieser Stadt gesehen, sondern so manches andere in der Stadt. Es war sehr angenehm gewesen, durch die kühlen Säle der Bibliotheken zu schreiten mit den vielen tausend Schriftrollen, die sorgfältig katalogisiert und abgelegt waren, und durch die Galerien an der Straße des Iphicrates. Die Brunnen auf den Plätzen beeindruckten mich sehr. Man konnte bei ihrem Anblick beinahe vergessen, daß sie nicht nur als Zierde gedacht waren, sondern nach goreanischer Art einen sehr konkreten Zweck hatten. Von den Brunnen mußten die meisten Leute ihr Wasser holen. Ganz besonders gefielen mir die öffentlichen Gärten. Je nach Pflanzenart blühen in den meisten Gärten ständig Blumen. Hier gibt es auch viele gewundene, beinahe abgeschirmte Wege. Hier findet man Farbe, Schönheit und an vielen Stellen Einsamkeit. Ich kannte nur wenige der Blumen und Bäume; doch zu meiner Überraschung wußte Drusus Rencius alle Pflanzen zu benennen, nach denen ich ihn fragte. Anscheinend achteten die Goreaner sehr auf ihre Umwelt. Sie bedeutet ihnen etwas. Sie leben darin. Dagegen war auf der Erde die Zahl derjenigen, denen Namen und Arten von Bäumen und Büschen, von Pflanzen, Insekten und Vögeln beigebracht wurden, verschwindend gering. Es überraschte mich auch, festzustellen, daß Drusus Rencius Blumen liebte. Aufgrund meiner irdischen Erfahrungen hätte ich mir nicht vorstellen können, daß ein Mann von seiner Kraft und Macht sich für etwas so Zartes und Unschuldiges begeistern konnte wie eine Blume. In einem abgelegenen Winkel des Parks war ich dicht vor Drusus stehengeblieben und hatte getan, als müsse ich meinen Schleier festmachen; er aber war einen Schritt zurückgetreten und hatte den Blick abgewandt. Geküßt hatte er mich nicht. Ärgerlich hatte ich meinen Schleier wieder festgemacht. Warum hatte er mich nicht geküßt? Weil ich seine Tatrix war? Ich fragte mich, wie es wohl wäre, in seinen Armen zu zerschmelzen.
Der über die Stadtmauer wehende Wind bewegte meinen Schleier.
Die Tage in Drusus Rencius' Gesellschaft hatten mir Spaß gemacht, doch nachts, wenn ich allein in meinem Gemach lag, war ich oft unruhig und fühlte mich einsam. Und ich ersehnte mir Dinge, die ich niemandem einzugestehen gewagt hätte, weder Drusus noch Susan.
Gelegentlich führte mich Drusus Rencius auch zu Wettbewerben: Rennen, Wurfspießwerfen, Steinschleudern. Lange hielt ich es bei diesen Veranstaltungen nicht aus. Nur die Schwertkämpfe faszinierten mich, die allerdings mit lederumhüllten Klingen ausgefochten wurden. Wie die bronzehäutigen muskulösen Männer gegeneinander antraten, beobachtet von zwei Schiedsrichtern, konnte ich mir kaum vorstellen, was einen Schwertkampf auf Leben und Tod ausmachen würde; allein der Gedanke daran erfüllte mich mit Entsetzen. Besonders erregten mich die Kämpfe, bei denen es um ein Mädchen ging, das dem Sieger zugesprochen wurde. Unwillkürlich versetzte ich mich in ihre Lage und fühlte, wie sich in mir etwas regte.
Nach einem solchen Kampf folgte ich Drusus Rencius, der von meinem vibrierenden Zustand nichts zu ahnen schien. In einem verlassenen Korridor des Palasts blieb ich stehen. Ich wollte dem Mann noch eine Chance geben, mich zu küssen. »Dieser Schleier ist locker«, sagte ich gereizt und begann daran herumzufingern. Nicht ohne Absicht löste ich eine Nadel und ließ den Stoff auf einer Seite herabfallen. Ich trat dicht vor Drusus Rencius hin.
»Ich kann kaum etwas sehen«, sagte ich. »Würdest du mir den Schleier bitte festmachen?«
»Natürlich«, erwiderte er und nahm die Nadel.
Ich hob ihm den Kopf entgegen. Er war groß und kräftig. Als er an meine rechte Schläfe griff, um den Stoff zu befestigen, hielt ich seine Hand fest. »Ich erlaube dir, mich zu küssen«, sagte ich.
»Befiehlt mir Lady Sheila, sie zu küssen?« fragte er.
»Nein, natürlich nicht!«
»Ich brauche nicht die Erlaubnis einer Frau«, sagte er und befestigte meinen Schleier. Dann führte er mich in meine Gemächer.
Hinterher hatte ich mich sehr über seine Zurückweisung aufgeregt. Er hatte mich verschmäht! War ich denn irgendeine Dirne, von der er sich abwenden konnte? Ich war eine verzweifelte, unerfüllte Frau, die sich zu ihren Bedürfnissen zu bekennen wagte! Wie sehr ich ihn haßte! Ich war Tatrix, er nur ein Soldat, ein Wächter!
Auf Gor war mein Körper zur Fülle seiner Weiblichkeit erblüht, doch war ich trotz dieser neuen Vitalität in mancher Beziehung unzufrieden, bekümmert. Ich bekämpfte die
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