GOR-Zyklus 24 - Die Vagabunden von Gor
Zweifellos war die Flucht aus dem Delta – von der ich keinen Augenblick lang zweifelte, daß sie mir gelänge – mit ein paar Vorräten einfacher zu bewerkstelligen. Sicherlich würden mir die guten Soldaten von Ar, die alle schließlich das Herz auf dem rechten Fleck trugen, das nicht verübeln. Außerdem war ich der Meinung, daß sie mir das schuldeten, zog man die ganzen Unannehmlichkeiten und die Arbeit in Betracht, für die ich nicht entschädigt worden war. Immerhin war ich ein freier Mann.
Ich glitt vom Floß ins Wasser, um den Fliegen weniger ausgeliefert zu sein. Ein Blick nach oben zeigte, daß noch immer Millionen von Fliegen durch die Luft summten, aber der Schwarm war deutlich kleiner geworden.
Ich würde auf die nächste Welle warten.
11
Ausgehöhlt kann der Rencehalm als Atemrohr dienen. Auf diese Weise kann man sich unter Wasser einigermaßen sicher und unbemerkt fortbewegen, vorausgesetzt, die Halmöffnung befindet sich in unmittelbarer Nähe der Wasseroberfläche und diejenigen, die sich in der Nähe aufhalten, sind nicht mit den Feinheiten des Sumpfläufertums vertraut und nicht wachsam und scharfsinnig genug, um mit einer solchen Möglichkeit zu rechnen. Natürlich müßte die Bewegung des Halmes eigentlich sofort für Mißtrauen sorgen, vor allem wenn seine Bewegungen gesteuert erscheinen. Rencebauern sind mit diesen Techniken vertraut, machen aber nur selten Gebrauch davon, außer bei Messer- oder Dreizackangriffen. Ein Eintauchen des großen Bogens, vor allem wenn es sich um eine längere Zeit handelt, in der er viel Wasser aufnehmen kann, mindert seine Spannkraft; das Leben der Sehne, für gewöhnlich mit Seide durchwirkter Hanf, wird ebenfalls verkürzt. Jeder auf diese Weise durchgeführte Angriff erfordert ein Untertauchen im Sumpf, was nicht ungefährlich ist. Rencebauern greifen daher normalerweise mit ihren Booten an und benutzen die allgegenwärtigen Schilfinseln als Deckung. Eine Angriffseinheit besteht aus zwei Mann; der eine bewegt das Boot mit einer Stange oder dem Paddel vorwärts, während der andere mit dem Bogen schießt.
Ich hob den Kopf ein Stück aus dem Wasser.
Viele der Soldaten hatten auf Sandbänken Zuflucht gesucht. Man hatte Lagerfeuer entzündet, in die man feuchtes Schilf warf, um mit dem entstehenden Rauch die Fliegen abzuwehren. Viele drängten sich zitternd um die Flammen. Es lagen viele Kranke am Boden. Vermutlich waren das Reaktionen auf das Gift der Stechfliegen. Die Männer hatten sich Decken übergeworfen; andere saßen mit gesenkten Köpfen da, die Tuniken übers Gesicht gezogen. Andere wiederum hatten sich Gesichter, Arme und Beine mit Schlamm und Asche eingerieben, ein kläglicher Schutz vor den Fliegen. Überall waren rote Augen zu sehen, es wurde gehustet. Ich hörte, wie sich ein Mann in den Sumpf übergab. Ich hörte Männer weinen und stöhnen. Einige der Gesichter waren unförmig zugeschwollen, verfärbt und mit pustelähnlichen Wucherungen bedeckt. Arme und Beine waren mit ähnlichen Schwellungen übersät. Ein paar Männer konnten nicht mehr aus den Augen blicken.
Ich entdeckte den Soldaten, von dem ich überzeugt war, daß er den Schlüssel zu meinen Handschellen verwahrte. Er lag zitternd auf dem Bauch, halb mit Renceschilf bedeckt. Anscheinend hatte er viele Stiche davongetragen. Der Schlüssel befand sich sehr wahrscheinlich in seiner Gürteltasche. Überall lagen Ausrüstungsgegenstände herum. Ich konnte mir nicht vorstellen, daß es schwer sein würde, sich einige davon anzueignen. Davon abgesehen waren selbst Schilde und Waffen im Sumpf weggeworfen worden. Man hätte dem Regiment allein aufgrund dieser Spur folgen können. Bei den anderen Einheiten sah es vermutlich nicht anders aus. Nicht daß ich vorgehabt hätte, seinen Weg zurückzuverfolgen.
Ein Soldat schrie schmerzerfüllt auf; er war gerade gestochen worden. Aber im Augenblick summten weniger Fliegen durch die Luft.
Vielleicht waren die Männer, die so elend hier auf den Sandbänken hockten, der Meinung, daß die Fliegenplage endgültig vorbei war.
Ich hatte jedoch schon vom Schilf aus gesehen, daß sich aus dem Westen neue Wolken näherten, die noch dichter und dunkler waren. Die erste Welle ist nie die schrecklichste. Das ist immer die mittlere. Die letzten sind dann kleiner. Manchmal verlassen die Sumpfbauern sogar schon während der letzten Wellen, die wie weit verstreute Wolken über ihren Köpfen hinwegsummen, ihre Hütten.
Nach dem ersten Blick auf diese
Weitere Kostenlose Bücher