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Gordon

Gordon

Titel: Gordon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Templeton
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Liebesspiel gewesen war – hartnäckig, bohrend, schmerzhaft unangenehm –, und sie bewirkten, dass ich mich hilflos fühlte.
    »In welcher Hinsicht wurde Ihr Mann unerträglich?«, fragte er.
    Ich sagte: »Oh, brutale Wutanfälle, ganz aus heiterem Himmel. Ohne den geringsten Grund.«
    »Ohne den geringsten Grund«, wiederholte er und fügte dann hinzu: »Und was tat er denn, wenn er diese Wutanfälle bekam?«
    Ich sagte verächtlich: »Er sprang mitten beim Essen auf und stieß gegen den Tisch und warf alle Teller und Schüsseln um und verschüttete alles und richtete auf Tischtuch und Teppich eine heillose Schweinerei an. Und einmal hat er mit einem Tintenfass nach mir geworfen. Und einmal habe ich mich im Badezimmer eingeschlossen, und ich war die Höflichkeit in Person, wirklich; ich sagte zu ihm, ich würde in zwei Minuten öffnen; aber er schlug die Tür ein. Das war immer nach … wenn er es versucht und ich ihn nicht gelassen hatte. Einmal bekam er mich zu fassen und zerfetzte mir die Bluse und riss mir den Ärmel ab. Und da hatte ich endgültig genug, wo doch Kleidung rationiert war, und überhaupt!«
    »Es bereitete Ihnen Vergnügen, ihn zurückzuweisen und ihn leiden zu sehen«, sagte er lächelnd.
    »Nein, das ist nicht wahr!«, schrie ich. »Es bereitete mir überhaupt kein Vergnügen! Ich wollte nichts anderes, als da raus – und von ihm wegkommen. Und wenn er anfing zu toben, habe ich nie etwas gesagt, was ihn hätte provozieren können! Ich war die Wohlerzogenheit in Person. Ich habe den Mund gehalten und bin aus dem Zimmer gegangen.«
    »Sie haben ihn provoziert, wie Sie nur irgend konnten«, sagte er, noch immer lächelnd.
    »Machen Sie sich nicht lächerlich!«, sagte ich. »Allerdings – es ist wirklich komisch, aber selbst wenn er gewalttätig wurde, hatte ich keine Angst vor ihm. Er konnte mir einfach keine Angst machen. Nie.«
    »Und Sie haben ihn gehasst, nicht wahr?«, fragte er in beiläufigem Ton.
    »Ich habe ihn nie gehasst«, sagte ich.
    »Liebe kleine Frau«, bemerkte er, »ich hätte eigentlich angenommen, dass Sie ihn hassen würden.«
    »Sie sind wirklich dümmer, als ich dachte«, sagte ich.
    »Sie waren also zu gut, um ihn zu hassen, oder wie?«, fragte er.
    Ich blieb stumm.
    Er beugte sich vor und packte mich am Handgelenk. »Antworten Sie!«, sagte er.
    Ich schüttelte den Kopf.
    Er verdrehte mir das Handgelenk. Der Schmerz ließ mich aufstöhnen. »Aufhören!«, sagte ich.
    »Antworten Sie. Warum haben Sie ihn nicht gehasst?«, fragte er.
    »Weil …«, sagte ich, und als ich spürte, wie sich seine harten Finger fester um meinen Puls schlossen, fügte ich hinzu: »Weil man jemanden, den man verachtet, nicht hassen kann.«
    »Das ist schon besser«, sagte er. Er ließ mich los. »Erst haben Sie ihn zur Gewalt provoziert, und dann haben Sie ihn verachtet, weil er damit nichts erreichte. So einfach ist das, nicht wahr?«
    »Ja, ich glaube schon«, sagte ich mürrisch.
    Er sagte: »Ich glaube nicht. Ich weiß es. Und da haben Sie beschlossen, ihn zu verlassen. Und da haben Sie angefangen, sich die Haare wachsen zu lassen.«
    »Wirklich?«, sagte ich. Ich war erstaunt.
    »Das haben Sie mir selbst gesagt«, bemerkte er, während er sich in seinem Stuhl zurücklehnte und mich kalt und aufmerksam beobachtete.
    Ich verspürte ein gleichzeitiges Gefühl der Befriedigung und der Verärgerung. Der Befriedigung, weil der Wissensdurst, den er bei meiner Befragung an den Tag legte, ein Interesse verriet, das ich als schmeichelhaft empfand. Der Verärgerung, weil ich ihm gegen meinen Willen etwas von mir mitteilte, das ich, wenn es nach mir gegangen wäre, niemals preisgegeben hätte. Jetzt gewann meine Verärgerung die Oberhand.
    »Na und?«, sagte ich. »Warum reiten Sie ständig darauf herum? Was hat die Tatsache, dass ich ihn verlassen habe, mit meiner Haarlänge zu tun?«
    »Sie haben sich gegen Ihre Mutter aufgelehnt«, sagte er mit sichtlichem Vergnügen. »Sie haben Ihre Ehe beendet – etwas, was Ihre Mutter nicht gutgeheißen hätte – «
    »Aber sie konnte mich nicht daran hindern!«, rief ich aus. »Zum einen war ich in England und sie nicht, und ich konnte wegen des Krieges nicht nach Hause schreiben, Briefe wurden abgefangen und überhaupt – selbst wenn sie da gewesen wäre, hätte sie mich nicht daran hindern können.«
    »Ganz genau«, sagte er. »Sie beschlossen, sich ein für alle Mal Ihrer Mutter zu entledigen. Sie ließen sich als eine Geste des Trotzes und der

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