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Gorgon (Horror Stories 1) (German Edition)

Gorgon (Horror Stories 1) (German Edition)

Titel: Gorgon (Horror Stories 1) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Keiser
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immer erzählt wird.
    Nur - wer kann das wirklich wissen?
    Ich schlafe ein.
    Als ich nach einigen Stunden wieder erwache, stelle ich mit Erleichterung zuerst fest, dass kein Schnee mehr fällt. Wenigstens das.
    Aus heiterem Himmel überfällt mich der Krampf in der Magengegend, und ich falle stöhnend zurück auf mein Lager aus dreckigen Matratzen und alten Kleidungsstücken, mit denen ich mich zudecke. Meine Eingeweide rebellieren gegen die Arbeitslosigkeit, und kurzzeitig habe ich die Befürchtung, ich würde infolge dieser Schmerzen sterben, so stark setzen sie mir zu. Doch eine schon länger zurückliegende Erfahrung hat mich gelehrt, dass ich daran jetzt noch nicht sterben werde.
    Die Schmerzen verfliegen ebenso schnell, wie sie gekommen sind.
    Gleichwohl weiß ich, dass dies erst der Anfang ist, nämlich der Anfang von dem, was ich während des schlimmen Winters vor drei oder vier Jahren erleben musste. Als ich mir meine erfrorenen Finger abschneiden musste. Noch heute frage ich mich, warum ich daraufhin nicht an Wundbrand zugrunde gegangen bin, was nach dieser Art von Operation eigentlich zu erwarten gewesen wäre. Deswegen, aber vor allem wegen des Hungers, hatte der Tod damals schon an meine Tür geklopft. Aber ich hatte es noch bis zur Ankunft der Raupenfahrzeuge ausgehalten. Wären sie auch nur einen Tag später gekommen, dann wäre ich vor Hunger krepiert.
    Die Magenkrämpfe sind dafür sozusagen die Ouvertüre. Von jetzt an werden sie immer regelmäßiger kommen, bis mein Körper nur noch aus Schmerzen besteht, die mich zum Schreien bringen werden. Mag der Tod durch Kälte angenehm sein oder auch nicht, der Tod durch Hunger ist mit Sicherheit um ein Vielfaches schlimmer.
    Ein Gedanke rast durch meinen Kopf, versucht verzweifelt, sich mit langen, rot lackierten Fingernägeln an den Wänden meines Gehirns festzukrallen, doch ich schüttle ihn erschrocken ab.
    Das kann ich nicht tun.
    Achter Tag
    Du musst es tun, lässt der schlimme Gedanke, der zurückgekehrt ist, mit erhobenem Finger verlauten. Der Nagel ist nun abgebrochen, geronnenes Blut vereinigt sich harmonisch mit dem roten Nagellack, der wiederum einen schrecklichen Kontrast zu der Leichenfarbe der Haut bildet.
    D u musst es tun, sonst stirbst du. Willst du das?
    „Nein, das will ich NICHT“, schreie ich in die Leere meiner Hütte hinein.
    Die Krämpfe kommen nun beinahe in regelmäßigen Abständen, was mich an die Wehen einer hochschwangeren Frau denken lässt. Das Feuer in meinem behelfsmäßigen Kamin brennt noch, aber es ist kurz davor, zu erlöschen.
    Sieht es so auch in mir selbst aus?
    Du musst es tun , wiederholt der leichenhafte Gedanke, der es sich in meinem Kopf mittlerweile bequem gemacht hat. Ich kann ihn nicht mehr abschütteln.
    „Vielleicht ist sie schon gar nicht mehr da“, sage ich laut zu mir selbst, aber der Klang meiner eigenen Stimme sagt mir, dass ich selbst nicht daran glaube, was ich sage.
    Selbstverständlich ist sie noch da. Und durch die Kälte des Schnees noch so frisch wie vor knapp fünf Tagen.
    Mit einer gewaltigen Kraftanstrengung erhebe ich mich von meinem Lager und lege weiteres Holz ins Feuer. Um es zu entfachen, musste ich meine letzten Zündhölzer verbrauchen. Es darf nicht ausgehen, denn es brennt jetzt nicht mehr aus dem alleinigen Grund, mich zu wärmen.
    Du musst es tun. Und du musst es heute tun, denn morgen wirst du zu schwach dafür sein. Und übermorgen bist du tot. So tot, wie ...
    Im Moment habe ich vor den Krämpfen Ruhe, und diese Zeit nutze ich zum Handeln. Ich ziehe mir die Schneeschuhe über, hülle mich in die dicksten Kleidungsstücke, die ich noch besitze, und öffne die Tür meiner Hütte, die von außen jetzt wie ein rundes Iglu aussehen muss. Das strahlende Weiß trifft meine Augen wie ein Hammerschlag.
    Nichts deutet darauf hin, was sich unter der unendlich wirkenden weißen Ebene verbirgt. Nichts lässt erahnen, dass es sich, so weit man schauen kann, um einen gigantischen Ozean aus Müll handelt, dessen Wellen der Winter gnädig verhüllt hat. Der Schnee liegt sehr hoch, aber ich komme mit einiger Anstrengung trotzdem vorwärts.
    Obwohl die Oberfläche bis zum Horizont nur aus endlosem Weiß besteht, habe ich trotzdem noch eine ziemlich genaue Vorstellung davon, wo sie liegt. Ich kenne hier jeden Quadratmeter so genau, dass ich mit verbundenen Augen kilometerweit laufen und auch blind wieder zurückfinden könnte.
    An einer bestimmten Stelle beginne ich, den Schnee mit einem

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