Gorgon (Horror Stories 1) (German Edition)
daher ist da auch nichts“, stellte Gwen fest.
Sharon schloss die Augen. Was hatte sie nachts geträumt?
Sie hatte einen sehr intensiven Traum gehabt, aber sie konnte sich nicht mehr an ihn erinnern. Nur vage, verschwommene Formen. Keine Farben, alles grau in grau. Schiefergrau, etwa wie ... wie Kohlestaub.
Sie hörte, wie ihre Mutter sie fragte, ob auch alles in Ordnung sei, aber sie konnte noch nicht sagen, ob alles in Ordnung war. Sie wusste es nicht.
Für einen Sekundenbruchteil tauchte in ihrem Geiste das Gesicht eines jungen Mannes auf. Kenny ? Und war es vielleicht auch Kenny gewesen, von dem sie letzte Nacht geträumt hatte? Immerhin hatte sie gestern erfahren, dass er tot ist. Das hatte sie irgendwie noch gar nicht realisiert.
Vielleicht hatte sie eben Kenny gesehen, doch die Vision war zu kurz gewesen, als dass sie es mit Sicherheit hätte sagen können.
Dallas, Texas, 17. Januar
08.02 Uhr
Das Telefon klingelte.
Gwen war sofort hellwach. Sie hörte, wie Frank, der schon bereits aufgestanden war, zum Apparat ging.
„Geh' nicht dran!“, rief Gwen ihm einem plötzlichen Impuls folgend zu, doch Frank hatte den Hörer schon abgenommen.
„Lawford“, meldete er sich fröhlich.
„Hier ist Dr. Walken. Mr. Lawford, es tut mir sehr leid ... ich muss ihnen diesmal eine überaus traurige Mitteilung machen.“
Tagebucheintrag von Jens Bartelmann
Hamburg, 17. Januar
Ich habe mich heute mit Susanne versöhnt. Wie es dazu kam? Das ist diesmal schnell erklärt.
Als ich vom Unterricht am frühen Abend zurück in meine Wohnung kam (heute war ich - wenn auch widerwillig - mal wieder zur Akademie gefahren), war Susanne bereits da. Der Zweitschlüssel ging es mir sofort durch den Kopf, aber aus irgendeinem Grund konnte ich ihr nicht so richtig böse sein.
Etwas war in der Zwischenzeit anders geworden. Als ich zur Akademie aufgebrochen war, hatte mein ganzes Denken noch dem Mädchen aus Kohle gegolten und der Frage, wie ich diese Person finden konnte. Von solchen Gedanken war in dem Moment, in dem ich meine Wohnung betrat und Susanne sah, nichts mehr zu spüren gewesen, und die Macht des Porträts, das mich mehr als zwei Tage in seinen Bann geschlagen hatte, ist seitdem verflogen.
Ja, ich war sogar hocherfreut gewesen, Susanne zu sehen, hatte ich sie während der letzten beiden Stunden doch schon zu vermissen begonnen.
Und dann sah ich die Bescherung auf dem Boden meines Arbeitszimmers liegen, doch erstaunlicherweise regte ich mich nicht darüber auf, was Susanne während meiner Abwesenheit getan hatte.
Nachdem sie von mir in die Arme genommen worden war und wir uns ausgiebig geküsst hatten, sammelte ich die weißen und grauen Papierfetzen vom Boden auf und warf sie in den Papierkorb.
E N D E
zum Inhalt
5
Brief an Billie-Jane
*
Hallo, altes Mädchen!
Wenn Du diese Botschaft in Deinen kleinen Fingerchen hältst, dann ist es noch nicht zu spät. Sei versichert, dass es NICHT der Briefträger war, der Dir diesen Wisch unter der Tür hindurchgeschoben hat. Genauso wenig, wie ich der Weihnachtsmann bin.
Hast Du meine Schrift erkannt?
Ich denke schon, aber Du glaubst natürlich nicht, was Du siehst, ganz klar, wie könntest Du auch? Wie lange ist es nun her, dass wir auf so unerfreuliche Weise getrennt wurden?
Drei Jahre oder vier?
Ich kann es nicht sagen, denn da, wo ich mich seitdem aufgehalten habe (und bis zum Ende aller Zeiten auch aufhalten werde), gehen die Uhren ein wenig anders. Genaugenommen gibt es hier keine Uhren, denn niemand schert sich hier einen Dreck um die Zeit. Zeit existiert hier nicht. Trotzdem kann hier sehr wohl so etwas wie Ungeduld aufkommen.
Aber davon später mehr.
Wie geht es Dir überhaupt? Ich habe gehört, die Verletzung von damals, unserem letzten gemeinsamen Tag, ist inzwischen wieder gut verheilt.
Freut mich aufrichtig.
Ehrlich.
Obwohl ich selbst ja damals nicht so viel Glück hatte, aber so etwas musste ja irgendwann einmal passieren. Glaubst Du mir, wenn ich Dir jetzt sage, dass ich nichts von dem bereue, was wir getan haben? Du kannst es mir glauben, ich fand unsere Touren einfach RIESIG!!!
Du hast noch Zweifel? Du kannst immer noch nicht glauben, dass der alte Derek Dir diese netten Zeilen geschrieben hat?
Nun, dann wollen wir mit diesen Zweifeln gleich einmal aufräumen, und zwar gründlich. Denn dies ist kein Spaß, meine kleine Billie-Jane, ganz und gar nicht.
Mal sehen, was gibt es denn so, das nur Du und ich wissen können?
Womit ich Dir
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