Gorian 3
ausgeprägt waren als bei Menschen, nicht verwundern konnte.
Einen kleinen Vorrat der pulverförmigen Nahrung steckte sich Gorian in einen Beutel, der an seinem Gürtel festgebunden war und in dem er eigentlich Münzen aufbewahrte. Die wenigen, die er noch besaß, steckte er sich stattdessen in den Stiefelschaft.
Sie entdeckten auch eine Kammer mit Kleidung und nahmen sich auch davon, immerhin wollten sie ja zurück an die vereiste Oberfläche. Die Gewänder der Caladran waren zumeist aus einem dünnen seidenartigen Stoff, dem man auf den ersten Blick keinerlei wärmende Wirkung zutraute, und davon abgesehen galten Caladran als relativ kälteunempfindlich. Aber diese Stoffe waren sehr empfänglich für einfache Magie, auch für einen Wärmezauber, der ein fehlendes Pelzfutter sehr leicht ausglich.
Sowohl Gorian als auch Sheera zogen sich Kapuzenwamse aus Caladran-Seide über, die Gorian mithilfe seiner Kenntnisse in außerordentlich gut wärmende Kleidungsstücke verwandelte.
Schließlich stießen sie sogar auf eine Waffenkammer. Viele der Waffen, die dort gelagert hatten, fehlten, und so waren ganze Waffenständer und Halterungen für Schwerter, Bögen, Armbrüste und Speere leer. Offenbar hatten sich die Caladran vor ihrer Flucht aus dem Stadtbaum ausreichend gerüstet.
»Ich weiß nicht, was du hier willst«, gestand Sheera ein. »Du besitzt ein Schwert aus Sternenmetall, und selbst bei all der Qualität, die man dem legendären Stahl der Caladran nachsagt, gibt es doch kaum eine mächtigere Waffe als Sternenklinge.«
»Das ist wahr. Zumal es nicht auf die Waffe ankommt, sondern auf die Kraft, die sie erfüllt, wie jeder weiß, der im Orden der Alten Kraft ausgebildet wurde«, bestätigte Gorian.
»Dann verstehe ich nicht, was wir hier wollen und weshalb wir unsere Zeit damit verschwenden, die Waffensammlung der Caladran zu bewundern.«
Gorian lächelte. »Du hast meinen entsprechenden Gedanken
tatsächlich nicht gelesen«, stellte er zufrieden fest. »Ich habe ihn bis jetzt bewusst vor dir verborgen.«
Sie sah ihn an. Ihre Augen zeigten ihre ganz normale grüne Farbe, die Gorian immer an das Meer erinnerte und den Geruch von Tang und Algen, wie er die Luft an der Küste vor der Ordensburg auf Gontland erfüllt hatte, bevor die Horden Morygors diesen Ort der Gelehrsamkeit und Magie zerstört hatten.
Sheeras Gesicht veränderte sich. Das Lächeln, das sie ihm geschenkt hatte, erstarb, und sie sagte mit großer Entschiedenheit : »Nein!«
»Siehst du«, entgegnete er. »Ich habe diesen Gedanken vor dir verborgen, weil ich ahnte, wie du reagieren würdest.«
»Ich sage es noch mal: Nein!«
»Sheera, wir sind deinetwegen hier.« Gorian nahm ein leichtes Rapier aus einem der Waffenständer. Es steckte in der Scheide eines Wehrgehänges, das man schärpenartig um den Oberkörper trug, und das sich mithilfe zahlreicher Schnallen und Verschlüsse so einstellen ließ, dass die Waffe entweder an der Seite oder über dem Rücken getragen werden konnte.
Gorian zog die Klinge heraus. »Bester Caladran-Stahl, zweischneidig und perforiert, was die Klinge noch leichter macht«, stellte er fest. »Für den Anfang dürfte das die richtige Waffe für dich sein – und allzu schwer trägst du auch nicht an ihr!«
»Ich habe mir selbst einen Eid geleistet, als ich im Haus des Heilens meine Ausbildung begann«, erklärte Sheera und verschränkte die Arme vor der Brust. »Meine Bestimmung ist es, Leben zu retten, nicht, es zu nehmen!«
»Wir werden uns vielen Gefahren stellen müssen, Sheera …«
»Ein Schwert zu tragen widerspricht allem, wofür ich bisher
gelebt habe. Und davon abgesehen verfüge ich über genug Kräfte, um mich nötigenfalls auch so verteidigen zu können. Wenn mich jemand etwa mit einem Schwert angreift, kann ich ihm die eigene Klinge entreißen und sie notfalls sogar gegen ihn richten. Aber so etwas …« Sie deutete auf das Rapier, als würde es sich um ein ekelerregendes Tier handeln. »Nein!«
»Nimm sie!«, bat Gorian und unterlegte die Worte mit seiner Gedankenkraft, was er Sheera gegenüber nie zuvor getan hatte.
»Was soll das jetzt? Willst du mir befehlen, wie Torbas es getan hat? Nur zu, die Kraft hättest du sicherlich, das weiß ich wohl!«
»Nein, ich bitte dich nur darum«, widersprach Gorian.
»Ich könnte damit gar nicht umgehen!«
»Das kann ich dir beibringen. Und abgesehen davon trifft zu, was ich eben sagte: Es ist nicht die Waffe, auf die es ankommt, sondern die Kraft,
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