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Gorki Park

Gorki Park

Titel: Gorki Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz-Smith
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war also hierher gebracht worden. Arkadi ahnte, dass er bei seinem ersten Besuch im Haus gestanden haben musste; deshalb hatte Jamskoi den Besucher zur Gänsefütterung mitgenommen. Dann war der Schrein auf diesem Klotz zerhackt worden. Aber konnten die Stücke alle auf einmal verbrannt worden sein?
    Zwischen dem aufgestapelten Holz war keine Spur eines vergoldeten Schreins zu finden. Arkadi stieß den ganzen Stapel um und entdeckte in den untersten Lagen goldfarbene Splitter, die Jamskoi übersehen hatte.
    »Sehen Sie sich das an, Kirwill«, sagte Arkadi, als er hinter sich Schritte hörte. »Golodkins Schrein - oder die letzten Überreste davon.«
    »Richtig!« bestätigte eine fremde Stimme.
    Arkadi drehte sich langsam um und stand dem Pockennarbigen gegenüber, der mit dem Wolga weggefahren war. Er zielte mit der gleichen kurzläufigen TK wie im U-Bahntunnel auf Arkadi. »Ich hab meinen Handschuh vergessen«, fügte er erklärend hinzu.
    Eine Hand umfasste den Arm des Pockennarbigen und schüttelte ihm die Pistole aus der Faust. Eine zweite Hand packte ihn am Hals. Kirwill schleppte den Entwaffneten zum nächsten Baum, einer einzelnen Eiche am Seeufer, hielt ihn mit der linken Hand am Hals fest und schlug ihm mit der rechten ins Gesicht. Der Pockennarbige versuchte nur anfangs, sich mit Tritten zu wehren.
    »Wir wollen mit ihm reden«, warnte Arkadi den Lieutenant.
    Der Pockennarbige blutete aus dem Mund. Seine Augen schwollen zu. Kirwill schlug wie rasend auf ihn ein.
    »Aufhören!« Arkadi versuchte, Kirwill zurückzureißen.
    Kirwills Handrücken traf sein Gesicht, so dass er zu Boden ging.
    »Nein!« Er umklammerte ein Bein des Amerikaners.
    Kirwills Absatz traf die noch immer empfindliche Stelle auf Arkadis Brust. Arkadi krümmte sich würgend und nach Atem ringend zusammen. Kirwill hörte nicht auf, den Pockennarbigen, dessen Gesicht grauer und grauer wurde, mit Fäusten zu bearbeiten.
    »Er ist tot.« Arkadi kam nach einiger Zeit mühsam auf die Beine und zog Kirwill am Arm zurück.
    »Jetzt ist er tot.«
    Kirwill taumelte zurück. Der Pockennarbige sackte leblos zusammen, fiel auf die Seite und blieb auf dem grauen Gesicht liegen. Kirwill verlor das Gleichgewicht und kroch auf Händen und Knien von dem Toten weg.
    »Wir hätten ihn gebraucht«, stellte Arkadi fest. »Wir hätten ihn verhören müssen.«
    Der Amerikaner versuchte, seine Hände mit Kies zu säubern. Arkadi packte ihn am Kragen und führte ihn wie ein Tier ans Wasser.
    Dann ging er zu der Eiche zurück, um die Taschen des Toten zu durchsuchen. Er fand eine billige Geldbörse mit wenig Geld, ein Schnappmesser und den roten Ausweis eines KGB-Offiziers. Der Ausweis war auf den Namen Iwanow ausgestellt. Er steckte den Ausweis und die Pistole ein, schleppte den Toten in den Holzschuppen und schlug die Tür zu.
     
    Der Wind trieb sie vor sich her nach Moskau zurück.
    »Zuerst wollte er Geistlicher werden«, berichtete Kirwill. »Er hätte ein Arbeiterpriester, ein gewöhnlicher kleiner Querulant werden können. Dann hat er sich zu Höherem berufen gefühlt: Er wollte ein Messias werden. Er war weder klug noch stark, aber er wollte ein Messias werden.«
    »Wie hat er sich das vorgestellt?« fragte Arkadi.
    »Russland ist ein jungfräuliches Land für einen Messias«, antwortete Kirwill. »Jimmy wäre hier aufgefallen; hier hätte er eine Chance gehabt. Zu Hause hatte er bereits versagt, deshalb wollte er hier ganz groß rauskommen. Er hat mir aus Paris geschrieben, wir würden uns auf dem Kennedy Airport wiedersehen. Er wollte eine Tat im Sinne von Sankt Christophorus vollbringen. Wissen Sie, was das bedeutet?«
    Arkadi schüttelte den Kopf.
    »Es bedeutet, dass er jemanden aus der Sowjetunion schmuggeln und anschließend eine Pressekonferenz auf dem Kennedy Airport geben wollte. Er wollte ein Erlöser sein, Renko - oder zumindest eine religiöse Berühmtheit. Ich weiß, wie er hier reingekommen ist. Er hat mir erzählt, wie leicht es sei, einen polnischen oder tschechischen Studenten zu finden, der ihm ähnlich sah. Sie würden die Pässe tauschen, und Jimmy könnte unter dem Namen des anderen hierher zurückkommen.
    Er sprach genügend Polnisch und Tschechisch; das war kein Problem für ihn. Schwierig war nur, hier nicht geschnappt zu werden und wieder rauszukommen.«
    »Er hatte zu Hause versagt? In welcher Beziehung?«
    »Er ließ sich mit militanten jungen Juden ein, die in New York Russen belästigen. Anfangs haben sie sich mit

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