Gorki Park
auf den Genossen Dr. Schmidt. Wir trinken auf ihn, weil er ein so guter Kommunist ist!« Schmidt rang sich ein Lächeln ab.
Die Tanzenden, Redenden, Sitzenden schrien immer betrunkener durcheinander. Arkadi stand einige Minuten in der Küche, um sich einen Kaffee zu kochen, bevor er merkte, dass der Filmemacher hinter der Tür die Frau des Balletttänzers abknutschte. Er verschwand und ließ seine Tasse zurück. Im Wohnzimmer tanzte Mischa, schläfrig den Kopf auf Nataschas Schulter gelegt. Arkadi stieg die Treppe zu seinem Schlafzimmer hinauf und wollte die Tür öffnen, als Schmidt herauskam und sie hinter sich schloss.
»Ich trinke auf dich«, flüsterte Schmidt, »weil deine Frau ein toller Betthase ist.«
Arkadi verpasste ihm einen Magenhaken. Als der überraschte Schmidt vom Türrahmen abprallte, traf die linke Faust seinen Mund. Schmidt ging zu Boden und rollte sich überschlagend die Treppe hinunter. Unten fiel ihm die Brille von der Nase, und er musste sich übergeben.
»Was ist hier los?« Sonja stand auf der Schwelle zum Schlafzimmer.
»Das weißt du doch«, sagte Arkadi.
Aus ihrem Gesichtsausdruck sprachen Hass und Angst; überraschend für Arkadi kam die große Erleichterung, die ihr anzumerken war.
»Dreckskerl!« fauchte sie und lief die Treppe hinunter, um sich um Schmidt zu kümmern.
»Ich hab nur gute Nacht zu ihm gesagt.« Schmidt tastete nach seiner Brille. Sonja fand sie, wischte sie an ihrem Pullover ab und half dem Bezirksausschussvorsitzenden auf die Beine. »So was will Kriminalbeamter sein?« Schmidt berührte vorsichtig seine aufgeplatzte Unterlippe. »Der Kerl ist verrückt!«
»Lügner!« brüllte Arkadi.
Niemand achtete auf ihn. Arkadi erkannte zu spät, dass Schmidt ihn nur hatte provozieren wollen.
Nein, diesmal hatten sie’s nicht miteinander getrieben - nicht unter dem Dach ihrer Freundin, nicht solange der Ehemann da war. Arkadi hatte die Lüge geglaubt, weil sie ehrlicher war als seine Ehe. Eine verdrehte Welt: Sonja empört und wütend und Arkadi der betrogene Ehemann, schämte sich.
Von der Haustür der Datscha aus beobachtete er, wie Schmidt und Sonja davonfuhren. Über den Birken stand der Vollmond.
»Tut mir leid«, wiederholte Mischa mehrmals, während Natascha nachdenklich schweigend im Flur saubermachte.
»Sie haben wie immer vorbildlich gearbeitet«, stellte Jamskoi fest. »Ihre rasche Entdeckung, dass eines der Mordopfer von einem ausländischen Zahnarzt behandelt worden ist, hat wie eine Bombe eingeschlagen. Ich habe sofort eine gründliche Überprüfung durch die Organe für Staatssicherheit veranlasst. Mit Hilfe eines Computers wurden am Wochenende alle in der Sowjetunion bekannten Ausländer überprüft; auf keinen einzigen passt die Personenbeschreibung des Toten und keiner wird als vermisst gemeldet. Nach Ansicht der Analytiker haben wir es mit einem sowjetischen Bürger zu tun, der bei einem Auslandsaufenthalt von einem amerikanischen oder in Amerika ausgebildeten Zahnarzt behandelt worden ist. Da alle in Frage kommenden Ausländer überprüft worden sind, muss ich mich dieser Auffassung anschließen.«
Der Staatsanwalt sprach sehr ernst und aufrichtig.
»Ich als Staatsanwalt habe jetzt zu entscheiden, Arkadi Wassiljewitsch, ob die Verantwortung für die weiteren Ermittlungen auf den KGB übergehen soll oder ob Sie in bewährter Weise weiterarbeiten sollen. Allein die Möglichkeit, dass es sich bei einem der Toten um einen Ausländer gehandelt haben könnte, ist beunruhigend. Was bedeuten kann, dass Sie Ihre Ermittlungen abbrechen müssen. Wäre es deshalb nicht angebracht, sie gleich jetzt dem KGB zu übertragen?«
Jamskoi machte eine Pause, als denke er tatsächlich über diese Frage nach.
»Was passiert aber, wenn ich Ihnen die Ermittlungen entziehe und dem KGB übertrage? Für uns ist das ein Rückschlag. Der eine Ermordete ist vermutlich Russe gewesen - das beweist die typisch russische Stahlkrone, die er außer der anderen Füllung hatte. Dass der zweite Mann und die junge Frau Sowjetbürger gewesen sind, scheint außer Zweifel zu stehen. Der oder die Täter sowie die meisten von den Ermittlungen Betroffenen sind Russen, so dass ich gar nicht das Recht habe, ohne greifbare Beweise auf die Fortführung der Ermittlungen durch die MWD-Miliz zu verzichten. Wie komme ich meiner Verpflichtung zur Wahrung der Bürgerrechte nach, wenn ich das tue? Wie viel ist Ihre Unabhängigkeit wert, wenn Sie sie sofort freiwillig aufgeben, sobald es
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