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Gorki Park

Gorki Park

Titel: Gorki Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz-Smith
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aus Moskau. Er hat die Datscha erst vor kurzem übernommen. Vielleicht ist er Sonjas neuer Liebhaber.«
    Mischa las die Wahrheit in Arkadis Gesicht. Er wurde rot und saß mit offenem Mund und dem nassen Stiefel in der Hand da.
    »Lass deine Stiefel in der Küche abtropfen, Mischa«, forderte Natascha ihn auf. Sie drückte Arkadi aufs Sofa und schenkte ihm und sich einen Wodka ein, während ihr Mann hinausstolperte.
    »Dieser Dummkopf!« Sie nickte zur Küche hinüber.
    »Er hat nicht gewusst, was er gesagt hat.« Arkadi leerte sein Glas mit zwei Zügen.
    »Das ist seine Methode - er weiß nie, was er sagt. Er sagt alles, deshalb muss er gelegentlich recht haben.«
    »Aber du weißt, was du sagst?« erkundigte Arkadi sich.
    »Ich bin Sonjas Freundin. Ich bin deine Freundin. In Wirklichkeit bin ich mehr ihre Freundin. In Wirklichkeit habe ich ihr seit Jahren geraten, dich zu verlassen.«
    »Warum?«
    »Du liebst sie nicht, sonst würdest du alles tun, um sie glücklich zu machen. Du würdest tun, was Schmidt tut. Die beiden sind füreinander geschaffen.« Natascha schenkte nach. »Warum willst du ihrem Glück noch länger im Wege stehen?« Sie trank einen Schluck und kicherte plötzlich. »Ich weiß genau, dass du sie langweilig findest. Sie war zwei, drei Jahre lang ganz unterhaltsam, aber jetzt gebe sogar ich zu, dass sie langweilig ist. Und du bist es nicht.« Natascha fuhr ihm mit einem Finger über den Handrücken. »Du bist der einzige unterhaltsame Mann, den ich noch kenne.«
    Natascha schenkte sich einen dritten Wodka ein, bevor sie leicht schwankend in die Küche ging und Arkadi allein auf dem Sofa zurückließ. Mischa und Natascha hatten den Raum mit Ikonen und eigenartigen geschnitzten Statuen geschmückt, und im Gold der Ikonen spiegelte sich das Kaminfeuer wider. Arkadi starrte eine der Ikonen an, eine Muttergottes. Das byzantinische Gesicht, vor allem die ausdrucksvollen Augen, erinnerte ihn nicht an Sonja oder Natascha, sondern an die junge Frau bei Mosfilm.
    »Auf Irina!« Er hob sein Glas.
    Um Mitternacht waren alle Gäste wieder im Haus und ohne Ausnahme betrunken. Es gab ein Büfett mit kaltem Braten Würstchen, Fisch, Blini, Käse, Brot, Essiggurken und sogar Presskaviar. Irgend jemand deklamierte mit lauter Stimme Gedichte. Am anderen Ende des Raumes tanzten einige Paare zu einer ungarischen Imitation der Bee Gees. Mischa hockte schuldbewusst in einem Sessel und beobachtete Sonja, die dicht neben Schmidt saß.
    »Ich dachte, wir wollten dieses Wochenende gemeinsam verbringen«, sagte Arkadi, als er später mit Sonja in der Küche allein war. »Was hat Schmidt hier auf einmal zu suchen?«
    »Ich hab ihn eingeladen.« Sie ging mit einer Flasche Wein hinaus. Schmidt hob sein Glas auf ihr Wohl. »Auf Sonja Renko, die gestern von ihrem Bezirksausschuss dazu bestimmt worden ist, nächste Woche auf der Sitzung des Stadtkomitees das Hauptreferat zu halten, worauf wir alle sehr stolz sind - vor allem ihr Ehemann.«
    Arkadi kam genau in diesem Augenblick aus der Küche, und alle starrten ihn an - nur Schmidt nicht, denn er blinzelte Sonja zu. Natascha befreite Arkadi aus seiner Verlegenheit, indem sie ihm ein Glas in die Hand drückte. Schmidt und Sonja standen auf, um zu einem schmalzigen Song eines georgischen Schlagersängers zu tanzen.
    Man merkte den beiden an, dass sie nicht zum erstenmal miteinander tanzten. Schmidt war trotz seiner Stirnglatze sportlich durchtrainiert, tanzte gut und führte mit energisch vorgerecktem Kinn. Er hatte den Stiernacken eines Turners und trug die schwarze Hornbrille eines Parteidenkers. Seine Hand lag besitzergreifend auf Sonjas Rücken, als sie sich an ihn schmiegte.
    »Auf den Genossen Schmidt!« Mischa kam mit einer Flasche in der Hand schwankend auf die Beine, als der Song zu Ende war. »Wir trinken nicht auf den Genossen Schmidt, weil er sich eine Pfründe beim Bezirksausschuss gesichert hat, wo er Kreuzworträtsel löst und nebenbei geklautes Büromaterial verkauft, denn ich kann mich entsinnen, auch schon mal eine Büroklammer mitgenommen zu haben.« Er trank einen Schluck aus der Flasche und wischte sich verlegen grinsend Wodka vom Kinn. »Wir trinken nicht auf ihn, weil er zu Politseminaren ans Schwarze Meer darf, denn ich hab letztes Jahr nach Murmansk fliegen dürfen. Und wir trinken auch nicht auf ihn, weil er mit seinem Tschaika harmlose Fußgänger überfahren kann, denn für uns gibt’s die beste U-Bahn der Welt. Nein, wir trinken aus keinem dieser Gründe

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