Gott geweiht
Geld gemacht hat. Ich war nämlich gut – verflucht gut.«
»Daran zweifle ich nicht.«
Eddie spielte mit dem Bierdeckel, drehte ihn zwischen seinen Fingern, als wäre es eine Blackjack-Karte. »Die Zeiten sind vorbei. Schade auch – es fehlt mir. Jeder Süchtige, der dir sagt, er würde seine Sucht nicht vermissen, ist ein Lügner.«
»Ich werd’s mir merken.«
In dem Moment ging die Eingangstür auf, und zwei der bemerkenswertesten Gestalten, die Lee je untergekommen waren, betraten die Bar.
Der Größere der beiden, ein Afroamerikaner mit kaffeefarbener Haut, hatte ein ineinander verschlungenes Muster aus bunten Tätowierungen auf seinen massigen Armen, nur teilweise verborgen von den Ärmeln seines blauen Flanellhemds, die bis zu seinem prallen Bizeps aufgekrempelt waren. Seine Schultern sahen aus, als wären sie mit Gewalt in die Jeansjacke gezwängt worden, und sein glänzend kahler Schädel ging nahtlos in sein Schlüsselbein über, ohne dass dazwischen ein Hals erkennbar gewesen wäre. Alles an ihm deutete auf eine enorme Körperkraft. Sein Gesicht wurde von sinnlichen Lippen zwischen breiten Wangenknochen beherrscht, und seine tief liegenden Augen wirkten im schummrigen Licht der Bar gelb. Lee schätzte seine Größe auf zwei Meter.
Sein Begleiter war wenigstens einen Kopf kleiner. Ebenfalls kräftig gebaut, mit einem Körper, der wie eine Studie in Kubismus anmutete – alles Kanten und Geraden, weniger muskulös als kastenförmig. Seine Handteller waren schaufelgroß, mit rosafarbenen Wurstfingern. Selbst sein Kopf mit dem kurzen Bürstenschnitt erinnerte an einen Würfel, sein massiges Kinn war so breit wie seine Stirn. Die knorpelige Nase ließ vermuten, dass sie mehr als einmal gebrochen war. Doch das Auffälligste an ihm war sein Haar. Weißblond, hell wie Sommerweizen, genau wie die Augenbrauen über seinen tief liegenden blauen Augen. In seinem linken Ohr funkelte ein winziger goldener Ohrring, doch im Gegensatz zu seinem Kumpel besaß er keine sichtbaren Tätowierungen. Er war ganz in Schwarz gekleidet, ein dramatischer Kontrast zu seiner Blässe.
»Hallöchen, Leute!«, rief Eddie mit seiner hohen Piepsstimme. »Kommt und setzt euch zu uns!« Die beiden kamen heran und rutschten in die Sitznische, einer auf jeder Seite des Tisches. Lee war überrascht, dass der Größere überhaupt hineinpasste, seine Beine waren so lang. Lee war eins fünfundachtzig, aber eingezwängt neben diesem Burschen, fühlte er sich wie ein Zwergpudel neben einem Bernhardiner.
»Darf ich dir meine Freunde vorstellen?«, sagte Eddie, während er der Kellnerin ein Zeichen gab, eine neue Runde zu bringen. »Das hier ist Diesel«, fuhr er fort und zeigte auf den Riesen neben Lee, »und sein Kumpel ist Rhino. So nennen wir ihn nur – sein richtiger Name ist Rhinehardt, John Rhinehardt –, aber er mag seinen Spitznamen, stimmt’s, Rhino?«
John Rhinehardt alias Rhino schürzte die Lippen und pflichtete mit einem knappen Nicken bei. Mit seiner vierschrötigen Statur, der krummen Nase und den kleinen Augen erinnerte er tatsächlich an ein Albino-Rhinozeros.
»Freut mich, Sie kennenzulernen«, sagte Lee.
Rhino schürzte zur Antwort abermals die Lippen.
»Und sein Kumpel heißt Diesel«, fuhr Eddie fort, »weil – jetzt, wo ich darüber nachdenke, eigentlich weiß niemand, wie du zu deinem Spitznamen gekommen bist.«
»Ich hab früher Vierzigtonner gefahren«, erwiderte Diesel in einem geschmeidigen Bariton. »Und ich sauf ganz schön was weg.«
»Ich kann mich nicht einmal an deinen richtigen Namen erinnern«, gestand Eddie.
»Den benutzt keiner mehr«, antwortete Diesel. »Diesel ist mir lieber.«
»Klar«, stimmte Eddie zu, als die Kellnerin an ihren Tisch kam.
»Was kann ich Ihnen bringen?«, fragte sie mit gezücktem Stift und Block in der Hand.
»Noch mal dasselbe, danke, Schätzchen«, bestellte Eddie. »Und die Drinks von meinen Kumpels gehen auf meine Rechnung.«
Sie wandte sich an Diesel. Falls sie fand, dass er merkwürdig aussah, dann verriet es ihre Miene nicht. Lee schätzte, dass sie als Kellnerin einer Bar, die nur einen Katzensprung vom Times Square entfernt war, so ziemlich alles gesehen hatte.
»Was darf’s sein?« Ihre Stimme klang erschöpft.
»Zwei Guinness bitte«, sagte Diesel. Als sie sich zum Gehen wandte, fügte er hinzu: »Und eine Cola light für meinen Freund.«
Die Kellnerin schaute ihn verdutzt an, dann drehte sie sich um und ging zur Theke.
»Was soll denn die Cola
Weitere Kostenlose Bücher