Gott im Unglück
zusammen. Dabei weinte sie nicht einmal. Nicht weil sie nicht rettungslos deprimiert gewesen wäre. Aber es war solch eine überwältigende Hoffnungslosigkeit, dass sie sich einfach taub fühlte.
»Und wenn ich da reingehe und mit ihm rede, fühle ich mich besser?«, fragte Syph.
»Ja.« Bonnie lächelte schwach. »Auf jeden Fall. Vielleicht.« Sie versuchte, Syph ins Gesicht zu lügen, doch das konnte sie nicht. Ob es an ihrem ehrlichen Charakter lag oder an der zehrenden Wirkung der Göttin, war nicht klar. Es kostete Energie zu lügen. Energie, die Bonnie nicht hatte.
»Wahrscheinlich nicht«, sagte sie deshalb. »Manche Leute würden dir sagen, dass es für einen Schlussstrich gut ist, aber ich glaube, sie machen sich etwas vor. An diese Tür zu klopfen und ein zwanzigminütiges Gespräch zu führen, wird nicht all deine Probleme lösen. Normalerweise ist das Gespräch entweder hässlich oder unangenehm oder beides, und du gehst weg und es geht dir noch schlechter oder die ganze Welt kotzt dich an.«
»Warum sollte ich es dann tun?«, fragte Syph.
Bonnie dachte kurz darüber nach.
»Weil du zwei Möglichkeiten hast. Nummer eins: Komm drüber weg und mach mit deinem Leben weiter. Das ist das Gesunde, der beste Weg, damit umzugehen. Angesichts dessen, dass du diese Depression schon seit ein paar Tausend Jahren mit dir herumschleppst, glaube ich allerdings nicht, dass das eine Option ist.«
Syph senkte den Kopf, während sich Eis auf dem Armaturenbrett bildete.
»Bei Odins fehlendem Auge!«, brummelte Bonnie. Es war schwer genug, selbst nicht aufzugeben, aber die Göttin der Tragik ließ sich noch leichter entmutigen. Und wenn Syph sich niedergeschlagen fühlte, übertrug sich diese Negativität auf Bonnie. Es war ein Teufelskreis.
»Oh, um Olymps willen, reiß dich zusammen!« Sie hieb Syph auf die Schulter. »Steig aus, klopf an diese Tür und stell den Typ zur Rede! Danach fühlst du dich zwar wahrscheinlich nicht besser, aber das muss man einfach tun. Findest du nicht, zweitausend Jahre Jammer genügen? Das ist keine unerwiderte Liebe mehr. Es ist nicht einmal ungesunde Besessenheit. Es ist einfach erbärmlich!«
»Kein Sterblicher hat es je gewagt, so mit mir zu sprechen.« Syphs Gesicht rötete sich.
»Macht es dich wütend?«, fragte Bonnie. »Kotzt es dich an? Gut! Das heißt, du bist kein ganz hoffnungsloser Fall. Und jetzt geh da rein und lass diesen Gott ein bisschen von deinem göttlichen Zorn spüren, von dem jeder immer redet.«
»Ich würde ja, aber er hat gerade Gesellschaft.«
Syph deutete auf ein Auto, das in die Auffahrt fuhr. Bonnie duckte sich, wenn sie auch nicht recht wusste, warum.
»Du musst dir keine Sorgen machen«, sagte Syph. »Ich habe das Auto unsichtbar gemacht.«
Janet stieg aus und klingelte. Die Tür wurde von einem Waschbären geöffnet.
Syph duckte sich. »Runter!«
Bonnie folgte. »Ich dachte, du hättest uns unsichtbar gemacht.«
»Das wirkt nicht bei anderen Göttern.«
Bonnie hob den Kopf gerade so weit, dass sie den Waschbären sehen konnte. »Warte mal. Du willst mir doch nicht sagen, dass … das ist der Gott, der dir das Herz gebrochen hat?«
»Ja«, sagte Syph.
»Dieser Gott?«
»Ja.«
»Mit dem buschigen Schwanz und dem schrillsten Hawaiihemd, das ich je gesehen habe? Der Gott, der eine Sonnenbrille trägt, obwohl es acht Uhr abends ist?«
»Ja.«
»Der Gott, der höchstens neunzig Zentimeter groß ist und …«
»Ja«, sagte Syph. »Der Gott!«
Lucky nahm Janets Hand und legte die Schnauze daran.
»Was war das?«, fragte Syph. »War das ein Kuss?«
»Ich glaube nicht, dass Waschbären Lippen haben, mit denen sie küssen können«, sagte Bonnie. »Es kam mir eher wie ein Nasereiben vor.«
Er sagte etwas, und Janet lachte.
»Flirten die?«, fragte Syph.
Janet kniete sich nieder und strubbelte spielerisch das Fell an seinem Kopf.
»Sie flirtet mit ihm.« Syph schrie nicht, allerdings nur deshalb, weil sie mit zusammengebissenen Zähnen sprach. »Ist das ein Date?«
»Es sieht so aus«, sagte Bonnie, als Lucky und Janet in ihr Auto stiegen.
Bonnie startete den Motor.
»Was tust du?«, fragte Syph.
»Ich folge ihnen«, antwortete Bonnie, immer noch etwas geduckt hinter dem Lenkrad.
»Warum?«
»Weil …«
Jetzt war etwas anders an Syph. Vielleicht war es Eifersucht. Oder Wut. Oder vielleicht auch nur ein unschönes Unbehagen, weil sie sehen musste, dass das Objekt ihrer Besessenheit vor ihr über die Sache hinweg war. Was auch immer
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