Gott oder Zufall?
die dazu beitrug, dass das Wort »Fundamentalismus« Eingang in die Sprache fand, standen der Evolution wohlwollend gegenüber. Der Theologe B. B. Warfield aus Princeton, ein leidenschaftlicher Verfechter der Irrtumslosigkeit der Bibel, meinte, die Evolution könne eine vertretbare »Theorie der Methode der göttlichen Vorsehung bei der Schöpfung der Menschheit« liefern.
Jean Baptiste Lamarck (1744–1829) © © Alamy/The Print Collector
Hier ist nicht der Ort, die wissenschaftlichen Debatten über die Evolution darzustellen. Seit Darwin hat es keinerlei ernstzunehmenden Zweifel unter Wissenschaftlern gegeben, dass das Leben von einer ursprünglichen Form (oder von sehr wenigen Formen) abstammt. Auf der anderen Seite ist Darwins Vorschlag, dass eine Anpassung durch natürliche Selektion erfolgt, umstrittener; er stimmt nicht gut mit konventionellen Vorstellungen von Fortschritt oder Verbesserung überein. Schlimmer noch, die Wiederentdeckung der Mendelschen Gesetze im Jahr 1900 und die daraufhin einsetzende Explosion der Genetik schienen zu beweisen, dass die materielle Grundlage der Vererbung nicht die Basis für die vom Darwinismus erwartete Vielfalt sein konnte. Die im Labor untersuchten Mutationen hatten die Tendenz, sich stark auszuwirken – schädlich zu sein und als rezessives Merkmal weitervererbt zu werden. Die Erwartung nach Darwin bestand darin, dass die durch kleine Schritte vorwärtsschreitende Evolution positive Varianten hervorbringen würde. In einem 1907 zum Jubiläum der
Entstehung der Arten
veröffentlichten Buch, das den Stand der Evolutionsbiologie begutachtete, sprach Vernon Kellogg vom »Sterbebett des Darwinismus«. In diesen augenscheinlichen Hohlraum ergoss sich nun ein Übermaß an spekulativen Theorien, die eher metaphysisch als wissenschaftlich ausgerichtet waren: Leo Bergs
Nomogenesis,
J.C. Willis’
Age and Area,
Jaan Christiaan Smuts’
Holism,
Hans Drieschs Entelechie , Henry Fairfield Osborns Aristogenesis und Orthogenesis . Einfallsreichtum war weit verbreitet. Gemeinsam war all diesen Theorien und ihren Urhebern eine gewisse Form von innerem Fortschrittsdrang oder eines Elan vital.
Die Galapagos-Inseln © © Getty Image/Universal Images
Die Inseln haben sich durch die unterirdische Tätigkeit von Vulkanen gebildet. © © Corbis/Frans Lanting
Besonders einflussreich wurde in dieser Hinsicht das Buch eines französischen Philosophen:
L’Évolution créatrice
(dt.
Schöpferische Entwicklung)
von Henri Bergson, erschienen 1907. Leider wurden in dieser Zeit der »Finsternis des Darwinismus« drei noch immer gelesene Standardwerke der Biologiegeschichte verfasst (von Erik Nordenskjöld, Emanuel Rádl und Charles Singer), die den Gedanken aufrechterhielten, die Evolutionstheorie sei ein unlogisches Chaos und der Darwinismus vollkommen überflüssig. Dieses Fazit ist auf alle Fälle falsch. Die Arbeit von R. A. Fisher, J. B. S. Haldane und Sewall Wright führte die Genetik, die Paläontologie und Vergleichsstudien in den 1920ern zu einer »neodarwinistischen Synthese« zusammen. Dadurch wurde Darwins ursprüngliche These rehabilitiert, die sich angesichts weiterer Entdeckungen als belastbar erwiesen hat – vor allem durch Herausforderungen, mit denen sie durch die »molekulare Revolution« der 1960er und 1970er konfrontiert wurde. Derzeit werden regelrechte Debatten über die Art und Weise geführt, wie es zu diesem evolutionären Wandel gekommen sei, auch wenn es nur wenige Meinungsverschiedenheiten darüber gibt, dass der weitaus bedeutsamste Anpassungsmechanismus die natürliche Selektion ist.
Theologische Probleme mit der Evolution
Christen haben mit der Evolution drei Probleme:
1. Naturalismus
Immer wieder befällt Christen ein gewisses Unbehagen, wenn sie über die Evolution so nachdenken, wie sie von den Wissenschaftlern verstanden wird: Dabei scheint es nämlich, als gebe es in ihr keinen Platz für Gott; man kann meinen, sie liefe einzig und allein durch wissenschaftlich erforschbare Prozesse ab. Der göttliche Uhrmacher könnte in der Tat zu einem blinden Uhrmacher herabgesetzt werden. Das ist nicht viel anders als bei fast allen anderen Situationen im Leben – Antworten auf Gebete, Wunder, Führung durch Gott. Christen erwarten gar nicht, unwiderlegbare Anzeichen der Mitwirkung Gottes in ihrem Leben zu entdecken, doch durch ihren Glauben sind sie sich sicher, dass Gott am Werk ist. Wie man sich
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