Gott-Poker (German Edition)
Fragen, was sie denn für Sachen mache, und was sie denn bitteschön nun wieder aufgeben sollten, hatte sie keine Antwort gegeben. Klara war es zu dumm geworden. Sie wollte gehen, doch sie hatte die falsche Tür erwischt. Statt auf der Straße hatte sie sich in einem kleinen Zwischenraum wieder gefunden, einer Art Garderobe, und dort hatte Karls Tasche auf dem Boden gestanden. Sie zog die Tür hinter sich zu. Maria hatte nichts gemerkt, sie hatte Klara gar nicht richtig wahrgenommen. Neben der Tasche lagen einige Blatt Papier säuberlich zusammengefaltet auf dem Boden. Klara hatte sie aufgehoben und den Anfang gelesen. »Maria hat manchmal komische Ideen«, stand da, und Klara hatte die Seiten eingesteckt, ›das kann man laut sagen‹, hatte sie gedacht und eine weitere Tür geöffnet. Sie stand in einem großen, eiskalten Raum. Die Wände waren gänzlich verspiegelt. Klara sah nach oben. Die hohe Decke zierte ein Mosaik von Hieronymus Boschs Sieben Todsünden. In der Mitte des Raumes standen goldene Käfige, in einem davon ein grünes Stoffkrokodil, und von der Decke hingen eine Menge Discokugeln herab. Der Club war leer, nur das Platschen und Plätschern eines Wischmopps war zu hören. Klara machte einige Schritte in den Raum hinein. Die Tür, durch die sie gekommen war, fiel mit einem leisen Klacken hinter ihr zu. Klara drehte sich um, konnte jedoch keine Tür mehr entdecken. Sie sah auf eine glatte Spiegelfläche. Sie starrte die dämmrige Spiegelwand an. In dem sepiafarbenen Licht glaubte sie eine Bewegung wahrzunehmen. Dann entdeckte sie die Frau Kubikova, Marias Haushälterin, die auf einer Empore stand und den Wischmopp in weiten Kreisen über den Boden zog. Einige Jahre, nachdem sie zu dritt in die Stadt gekommen waren und zunächst gemeinsam in einer Wohnung gewohnt hatten, war Maria ausgezogen und hatte sich ein paar Straßen weiter eine eigene Wohnung genommen. Eines Tages, kurz nachdem Klara ihr del Toro geschenkt hatte, damit sie nicht so alleine sei, hatte Maria plötzlich angefangen, mit Geld um sich zu werfen und nicht verraten wollen, woher sie es hatte. »Geschäfte eben«, hatte sie beiläufig gesagt und sich eine Haushälterin zugelegt.
Klara drehte sich um und suchte das Gegenstück zu Frau Kubikovas Spiegelbild in der Wirklichkeit. Sie trat an sie heran und tippte ihr mit dem Finger auf die Schulter. Frau Kubikova fuhr herum. Dann ließ sie den Wischmopp fallen. »Klärchen! Was tun Sie denn hier!«
» Das wollte ich Sie auch gerade fragen. Was ist denn das hier?«
» Klärchen, Klärchen, Klärchen«, murmelte Frau Kubikova, »kommen Sie nur schnell raus hier, wie konnte sie nur...«
» Wie konnte sie was? Und wer? Meinen Sie Maria? Und was macht denn Karls Tasche da drin?« Sie zeigte hinter sich, dorthin, wo sie die Tür vermutete, aus der sie gekommen war. Bei den ganzen Spiegeln überall verlor man schnell die Orientierung.
» Klärchen, Klärchen, Klärchen«, murmelte Frau Kubikova kopfschüttelnd, »kommen Sie nur schnell raus hier.« Sie fasste Klara am Ärmel und zog sie durch schwere blutrote Samtvorhänge zu einer Tür. Durch den Stern, der in das schwarz lackierte Holz geschnitten war, sah man auf die Friedhofsmauer gegenüber. Frau Kubikova öffnete die Tür und schob Klara hinaus. Noch bevor Klara etwas sagen konnte, hatte sich die Tür hinter ihr wieder geschlossen. Klara stand draußen und sah Frau Kubikovas rundes, liebes Gesicht durch den Stern vor Aufregung rot leuchten. Sie machte mit der Hand eine Bewegung, als wolle sie Fliegen verscheuchen. Klara sah, wie sie immer noch den Kopf schüttelte, als sie rückwärts durch die Vorhänge im Dunkel verschwand.
Klara hatte sich umgedreht und die Straße überquert. Durch ein gusseisernes Tor hatte sie den Friedhof betreten und sich auf eine sonnige Bank gesetzt, um nachzudenken. Dann waren ihr die Zettel eingefallen, die sie neben Karls Tasche auf dem Boden gefunden hatte. Sie hatte sie herausgenommen und auseinandergefaltet, und was sie dort gelesen hatte, weigerte sie sich zu glauben. ›Respekt, Alte‹, dachte sie, und merkte, wie es um sie herum dunkel und kalt wurde und ihre Hände zu zittern begannen, ›Respekt, Alte‚ wenn das wirklich wahr ist, was Karl da schreibt, und ich wusste gar nicht, dass Karl überhaupt jemals auch nur eine Zeile geschrieben hat, dann hast du wirklich gewonnen.‹
Dann merkte sie, dass sie es nicht lustig fand, und dass Maria in der Tat gewonnen hatte. Hatte sie das gemeint,
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