Gott-Poker (German Edition)
die Katze aufschrie. Marin entschied, dass dies das richtige Tier für seine Zwecke sei und wandte sich zum Gehen. Die Katze sträubte sich, sie wollte zurück an ihren Platz, doch er hielt sie fest am Genick und gab etwas von sich, was er wohl für beruhigende Geräusche hielt. Im Vorbeigehen strich er Madeleine-Mary, die er in einem Anfall von Langeweile bereits vor einigen Jahren hier herunter verbannt hatte, wie ein Kind, das sich für das Spielzeug, das es sich sehnlich zu Weihnachten gewünscht hatte, bereits zu Ostern nicht mehr interessierte, über die wächsernen Wangen und murmelte etwas Unverständliches. Dabei wäre ihm beinahe die tobende Katze ausgekommen, doch er packte sie am Fell und nahm sie mit in seine Gemächer. Dort baute er ihr ein Bett aus grüner Seide und purpurnem Samt. Von Camilla, seinem first assistant , wie er sie spöttisch und zärtlich zugleich nannte, ließ er sich eine Babyflasche mit lauwarmer Cocosmilch bringen und flößte sie der Katze ein, sorgsam und umsichtig. Camilla stand hinter ihm und griff wiederholt nach der Flasche, um sie ihm abzunehmen, er aber stieß sie unwirsch zur Seite. Das wollte er selbst machen. Als die Katze schließlich gebar, wischte er ihr verschwitztes kleines Gesicht mit einem feuchten Tuch und strich über ihre Nase. Das kleinste der nackten Knäuel, die sie geboren hatte, trocknete er ab und nahm es an sich.
Zu Pferde sprengten sie durch die neblige Nacht. Die Bucht lag in den Schatten des verfinsterten Himmels und das Meer warf ihnen schäumend schwarze Gischt entgegen. Im Leuchtturm saß ein Wächter und trank aus einer Thermoskanne heißen Tee. Die Winde wurden angewiesen, stark zu wehen, auf dass das Wasser mit Wucht an die Turmmauer peitsche und das Getrappel der Pferdehufe für den Wachposten unhörbar mache. »Leicht sind sie zu übertölpeln, die Menschlein, oh leicht!« brüllte Falier übermütig in den Sturm hinein, den er tatsächlich glaubte, selbst heraufbeschworen zu haben, und peitschte seinen Rappen. »Du willst es doch nicht anders, Baby!« brüllte er dem Pferd ins Ohr und brach in schallendes Gelächter aus. Sofort fühlte er sich elend, doch er trug sein Schicksal mit Größe und erlaubte sich keine Zweifel an dem, was er tat.
Die Barke lag schaukelnd. Draußen auf pei tschender See stand der Frachter bereit, die grausige Ladung zu schlucken und erst an fernen Ufern wieder auszuspucken.
Die Reise war genau nach seinem Geschmack. Er hätte es zwar vorgezogen, mit seinen Mädchen auf modernem Wege zu reisen, ihm stand der Sinn nach Flughafenhallen, Lautsprecherdurchsagen, Coffee to go mit Karamell-Sirup und einer Zigarre, nach Bordkarten und Hochglanzmagazinen. Doch Eston hielt nichts von den Menschen, er weigerte sich, ihre Gestalt anzunehmen und hielt es, hinkend, sabbernd, den unförmigen Körper mit widerwärtigen Warzen und borstigem Haargeflecht bedeckt, eher mit konventionellen Reiseformen. So fügte sich der Graf seinem treuen Diener, ohne dessen Hilfe er sein Vorhaben nicht ausführen konnte. Eston in einem Flugzeug, dachte Marin und kicherte in sich hinein, das würde sowieso nicht gut gehen. Er stand in langem Mantel, das Gesicht geschützt von schwarzem Tuch.
Vor vielen Wintern hatten sie diese Reise schon einmal gemacht. Die Jahrhunderte werden öde, wenn man sich nicht ab und an mit einer kleinen Vergnügung zu beschäftigen weiß.
Die Ausbeute der letzten Reise hatte den Grafen jedoch bald zu langweilen begonnen. »Oh Madeleine-Mary... Madeleine-Mary, du meine süße bleiche Braut mit dem Krater im Herzen, es gibt nichts, was du noch für mich tun könntest«, pflegte der Graf bereits seit einigen Jahren in einem bedauernden Singsang zu sagen und ihr dabei seinen langen Finger zwischen die Rippen zu bohren. »Du hast deinen Dienst erfüllt, mein Mädchen« hatte er eines Abends gesagt, ihr die Wange getätschelt und den wächsernen Körper von Eston in die Katakomben schleppen lassen. Das immergleiche milde Lächeln ihrer grauen Lippen unter dem glasigen Blick, der stets etwas zu mustern schien, das sich direkt hinter dem Grafen befand und das ihn zu bedrohen schien, ohne dass sie eine Miene verzogen hätte, ihn zu warnen, hatte in der Tat längst aufgehört, ihm Lust zu bereiten; stattdessen fühlte er sich schändlich vernachlässigt und außerdem schauderte ihn, doch das wollte er sich nicht eingestehen.
Estons speicheltriefendes Murmeln suchte das Kätzchen im Käfig zu beruhigen. Das Tier
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