Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gott wuerfelt doch 1

Gott wuerfelt doch 1

Titel: Gott wuerfelt doch 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lutz Kreutzer
Vom Netzwerk:
die
Seele der Insel! Ein Dorf im äußersten Norden. Dort leben die Menschen noch wie
vor langer Zeit. Sie haben erst vor einigen Jahren Strom bekommen. Früher haben
sich die Frauen am Abend fast ausschließlich mit Handarbeiten beschäftigt, die
sie an die Touristen verkauften. Seit kurzem ist die Handarbeit vom Fernsehen
verdrängt worden. Ihr werdet sehen, die Menschen sind trotzdem noch so
ursprünglich wie ihr Dorf: wunderbar ehrlich, direkt und freundlich. Aber auch
nachtragend und unbestechlich. Eine eigene Welt.“ Er legte sein rechtes Bein
auf den Tisch. „Diese Stiefel habe ich dort anfertigen lassen. Sie sind
unverwüstlich. Das ist noch richtige Handarbeit.“
    „Warum fahren wir
gerade dorthin?“, wollte Konrad wissen.
    „Weil es mir dort
gut gefällt und weil es besser ist, wenn wir außerhalb von Spóa sind. Hier
verstehen viele Leute andere Sprachen, in `Olympos versteht uns niemand.“
    Nach dem Frühstück
bestiegen wir unseren Geländewagen, und Dimitrios setzte sich, als wäre es sein
eigener, wie selbstverständlich ans Steuer. Konrad saß auf dem Beifahrersitz,
ich hatte mich nach hinten verzogen. Sofort, als wir aus dem Windschatten
hinausgefahren waren, packte uns der Meltémi. Dimitrios gab Gas. Wir fuhren
Richtung Norden, wo die Insel immer schmaler wurde. Die Landschaft wurde noch
karger, und ab und zu sahen wir steinige Äcker. Diese Äcker waren von Mauern
begrenzt. „Die Bauern und ihre unermüdlichen Frauen tragen jedes Jahr die
Steine vom Acker an den Rand der Felder, die vom Untergrund gelöst zutage
gefördert werden“, rief Dimitrios gegen den Wind an. „Es ist eine
Sisyphusarbeit, auf diese Art und Weise die Landschaft mit einem Gitter aus
Steinhaufen zu überziehen. Auf den ersten Blick erscheint das sinnlos. Aber die
Mauern schützten die Äcker vor dem bodennahen Wind, der die dünne Ackerkrume
wegblasen würde und mit ihr die Saat.“
    Die Felsrücken am
Straßenrand waren kahl und unbewachsen und ließen die Kräfte erkennen, die sie
einst gebogen hatten. Dort stiegen sie aus dem Boden empor, und da fielen sie
jäh zum Meer hinab. Dunkelgrauer und grüner Sandstein hatte wie in einem
Sandwich schwarze und braune Schieferlagen eingepackt, die jetzt derart
zerbröselt waren, dass sie aus den Wänden rieselten und den Fahrweg bedeckten.
    Die Schlaglöcher
wurden tiefer, die Straße schmaler und die Fahrt gefährlicher. Dimitrios jedoch
raste unbeeindruckt weiter, als wäre er auf einer Autobahn. Schlaglöcher
überfuhr er mit mindestens sechzig Stundenkilometern, man spürte sie kaum. „Du
musst sie entweder im Kriechtempo nehmen oder mit einem Affenzahn. Alles
dazwischen ist bandscheibenschädigend“, lachte er, als er durch ein großes
Schlagloch fuhr.
    Nach einer Stunde
Fahrt hoch über dem Meer und entlang dem Hügelkamm, der die Straße unaufhörlich
nach Norden zwängte, kam eine schneeweiße Kapelle zum Vorschein. Hinter ihr
klebte in einer Scharte zwischen zwei Bergen ein Dorf. Die Häuser lagen wie
kleine Würfel nebeneinander, weiß, hellblau, gelb und rötlich, dahinter
glitzerte das tiefblaue Meer.
    „Die Straße von
Spóa hierher gibt es erst seit ein paar Jahren. Vorher kam man nur über das
Wasser nach `Olympos“, erklärte Dimitrios und deutete hinunter auf das ruhige
Meer. „Es gibt dort den kleinen Hafen Diafáni. Immer mehr Touristen kommen
hierher, bleiben aber Gott sei Dank nur über den Tag. Demnächst wollen sie
sogar eine Asphaltstraße vom Meer hinauf bauen, damit ein richtiger Bus hin-
und herfahren kann.“
    Wir stellten den
Wagen auf einem Platz am Eingang des Dorfes ab. Die Häuser waren kaskadenartig
verschachtelt und schmiegten sich an die Hügel. Wir schlenderten durch die
engen Gassen des Dorfes, Dimitrios schwieg, Konrad sagte ebenfalls nichts, und
auch ich genoss still diese neue alte Welt. Ab und zu bellte ein Hund, dann und
wann hörte man das Miauen einer Katze. Gelegentlich vernahm man den Ruf einer
Frau. Wir stiegen auf zu einem Bergkamm, an dem drei Mühlen arbeiteten und ein
großer Steinofen rauchte. In dem offenen Ofen brannte ein glühendes Feuer, der
Rauch quoll aus der Öffnung heraus und leckte an der tiefschwarzen Außenwand.
Eine alte Frau, ganz in Schwarz gekleidet, schob mit einer langen Holzstange, an
deren Ende ein rundes Blech befestigt war, mehrere runde Brotlaibe in den
Backofen. Die Sonne stand hoch am Himmel und ließ mich schwitzen. Die Frau
schien die Hitze überhaupt nicht zu stören.
    „Sie machen

Weitere Kostenlose Bücher