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Gott wuerfelt doch 1

Gott wuerfelt doch 1

Titel: Gott wuerfelt doch 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lutz Kreutzer
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hier
ein wunderbar kräftiges Brot. Ich schätze, es ist das einzige seiner Art
zwischen Athen und Kreta. Es wird mit Mohn und Anis gewürzt. Es gibt hier
keinen Bäcker, alles Brot wird von jeder Familie selbst gebacken.“
    Ich trat hinaus auf
den Weg und betrachtete die Bucht tief unter uns, in der das Wasser türkis und
von der angebrandeten Gicht mit weißem Schaum durchschlagen war. Im Hintergrund
bog ein felsiger Sporn der Insel nach Westen in das Meer. Konrad stand neben
mir, die Augen auf den Horizont fixiert, der in einem weißrosa Dunst
entschwand.
    „Wie kam wohl
jemand auf die Idee, an dieser Stelle ein Dorf zu erbauen?“, fragte ich
verwundert.
    „Es waren die
Dorer, vor etwa 1200 Jahren“, mischte sich Dimitrios leise ein, der
mittlerweile hinter uns getreten war. „Es gab zwei Siedlungen an der Küste,
doch die zunehmenden Piratenüberfälle haben dann die Menschen hier oben - vom
Wasser aus uneinsehbar - eine Siedlung bauen lassen. Sie wurde immer
bedeutender, und so vergrößerte sich `Olympos. Die Sprache hier in diesem Dorf
ist teilweise noch dorischen Ursprungs. Das hängt wohl damit zusammen, dass der
Ort so abgeschieden gelegen ist.“
    Konrad legte eine
Hand auf Dimitrios’ Schulter. „Du hast dir eine wunderbare Insel ausgesucht,
mein Alter!“
    Dimitrios schwieg
und wandte sich zum Gehen. Wir durchschritten die engen Gassen. Ab und zu
begegneten uns einheimische Frauen in traditionellen Gewändern, die reich
bestickt waren. Die Frauen lachten und grüßten freundlich; wir grüßten zurück
und staunten sie an. Schließlich betraten wir ein kleines Kafeníon. Wir gingen
durch eine Tür und gelangten über eine Treppe in den Gastraum. Männer saßen an
kleinen Tischen und redeten. Als sie uns sahen, schwiegen sie. Nachdem sie uns
gemustert hatten, setzten sie ihre Gespräche fort.
    Der Kaffee war
stark und süß. Konrad nahm einen Schluck und sagte schließlich zu Dimitrios:
„Was kannst du uns erzählen?“
    Dimitrios schien es
offensichtlich schwer zu fallen, zu einem Anfang zu kommen. Er nippte mehrmals
an seinem Kaffee, sah uns abwechselnd an und stellte schließlich die kleine
Tasse auf den Tisch.
    „Eure Eltern haben
einiges durchgemacht, bevor es euch beide gab!“ Konrad und ich sahen uns an.
Dann fuhr Dimitrios fort: „Walter, hat deine Mutter dir je ihren linken Arm
gezeigt?“
    „Blöde Frage,
natürlich.“ Ich stutzte. „Was meinst du wirklich?“
    „Ich meine die
Narbe an ihrem Unterarm.“ Mir dämmerte, auf was er abzielte: die schwarze,
hässliche Narbe. Ich fühlte, dass ich das alles nicht wissen wollte.
    „Deine Mutter hatte
eine Schwester, eine Zwillingsschwester.“
    „Bist Du sicher?
Davon hat sie mir nie erzählt“, sagte ich leise. Ich wollte es nicht glauben.
Konrad zog fragend seine Augenbrauen zusammen und rückte seinen Stuhl zurecht.
„Ein merkwürdiger Zufall.“ Dimitrios sah Konrad in die Augen, schüttelte kurz
mit verkniffenen Lippen den Kopf und wendete währenddessen seinen Blick auf das
Wasserglas in seiner Hand. „Die Mutter war ein Zwilling, und ihre Söhne sind es
auch. Wirklich bemerkenswert!“
    „Nicht wirklich“,
sagte ich mit krauser Stirn. „Ältere Frauen bis siebenunddreißig bekommen
häufiger Zwillinge als jüngere, große und starke Frauen häufiger als kleine
zierliche. Das liegt vermutlich an der verstärkten Ausschüttung von FSH, ein
Hormon, das den Eisprung anregt.“ Beide sahen mich fragend an, ich behauptete:
„Ist so“, und hob die Schultern.
    „Hört sich recht
abenteuerlich an“, sagte Konrad skeptisch.
    „Dieses Hormon
nehmen die Yoruba-Frauen in Nigeria über die Yamswurzeln mit der Nahrung zu
sich. Deshalb ist die Zwillingsbildung dort besonders ausgeprägt“, erklärte
ich. „Die Neigung zur Zwillingsbildung kann aber auch genetische Ursachen
haben. Sie pflanzt sich dann übrigens weitaus stärker in mütterlicher Linie
fort, viel seltener in väterlicher. Es ist also tatsächlich nicht ungewöhnlich,
dass unsere Mutter Zwilling war und wir es auch sind. Aber … wieso weiß ich
nichts von einer Schwester meiner Mutter?“, fragte ich fast beleidigt.
    „Lass mich
erklären, dann verstehst Du es“, sagte Dimitrios beiläufig und stützte das Kinn
in seine rechte Hand, wobei er versonnen auf seine Tasse blickte. Der nächste
Satz, den Dimitrios aussprach, traf mich wie ein Keulenschlag, doch seine
Gewalt hatte nicht in Dimitrios ihren Ursprung, sondern führte viel weiter
zurück. Zurück in eine

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