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Gott wuerfelt doch 1

Gott wuerfelt doch 1

Titel: Gott wuerfelt doch 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lutz Kreutzer
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Kleidchen.
Dann aber stand einem von ihnen die Hölle bevor.“
    Er trank erneut
Konrad ruckte unruhig auf dem Stuhl hin und her. Ich wollte etwas sagen, doch
brachte ich kein Wort heraus, mein Hals war wie zugeschnürt, und Konrad ging es
– das fühlte ich – genauso wie mir.
    „Mengeles Vorgehen
bei Zwillingen war teuflisch. Bei seinem Lehrer Verschuer hatte er gelernt, mit
Kaninchen zu experimentieren; Mengele aber standen jetzt Menschenkinder,
gesunde Menschenkinder zur Verfügung. Er benutzte fortan statt
Zwillingskaninchen seine Zwillingskinder, die er als sein Eigentum betrachtete.
Seitdem hat sich der Ausdruck Versuchskaninchen als grausame Realität in unsere
Sprache eingebrannt!“ Dimitrios kratzte mit dem Löffel an der Tischplatte.
    „Was hat er mit
ihnen angestellt?“, stieß Konrad hervor.
    „Willst du das
wirklich wissen?“ Dimitrios sah ihm halb streng, halb traurig in die Augen.
Konrad nickte. In seinem Blick lagen Furcht und Entschlossenheit zugleich.
    „Manchen entnahm er
beispielsweise die Organe, obwohl sie noch lebten. Einmal hat er ein
Zwillingspaar mit den Rücken aneinander genäht. Er wollte sehen, ob aus zwei
Individuen mit je einem Organpaar und zwei Köpfen ein funktionierender
Organismus werden könnte. Die verzweifelten Eltern der Kinder haben sie
irgendwann mit Kissen erstickt, vielleicht hatten sie sich auch illegal
Morphium besorgt, um sie von ihren Qualen zu befreien. Es gibt widersprüchliche
Darstellungen der Überlebenden. Viele der Zwillinge aber trennte Mengele auf
verschiedene Wohneinheiten auf. Einen Zwilling ließ er stets weitgehend in
Ruhe, den anderen benutzte er für seine Experimente. An diesen Kindern machte
er grausame Untersuchungen, quälte eines von ihnen bis zum Tode, während das
andere völlig unbehelligt weiterlebte. Man hat später die Aussagen von Zeugen
ausgewertet, die Mengele gezwungen hat, ihm zu assistieren, darunter viele
jüdische Ärzte. Selbst beim - in keinem Fall angebrachten - Vergleich mit
Versuchsreihen an Tieren waren nach ihren Schilderungen alle seine Experimente
völlig irrsinnig, sie hatten selbst für den größten Zyniker keinerlei
wissenschaftliche Bedeutung.“
    „Aber warum hat er
das nur getan?“, fragte Konrad und unterdrückte seine Tränen.
    „Sein Wahn war,
gesunde Vergleichspersonen zu haben, um die Veränderungen an von ihm
traktierten Kindern mittels genetisch identischer Vergleichszwillinge besser
dokumentieren zu können. Was er dabei wirklich wissenschaftlich herausfinden
wollte, das kann nur anhand seiner Aufzeichnungen beurteilt werden, die - bis
auf ein paar unbedeutende Schriften - bisher niemand entdeckt hat.“
    „Aber welche
Menschen tun so etwas?“, fragte Konrad wütend.
    Dimitrios holte aus: „So etwas können nur Menschen tun,
denen jegliche Moralvorstellungen fehlen. Es sind Menschen, die bei solchen
Dingen kein schlechtes Gewissen haben.“
    „Ja, aber wie geht das?“, fragte ich angewidert.
    Dimitrios rückte seinen Sitz noch einmal zurecht. „Es gibt
Menschen, die leben in einer eigenen Welt. Was sie in ihrer Phantasie erleben,
das werden sie niemals mit uns teilen können. Und das ist unser Glück. Sie sind
oftmals intelligent und besitzen meistens einen so einnehmenden Charme, dass
Menschen reihenweise auf sie hereinfallen. Es sind Menschen mit Vorstellungen
und Empfindungen, die wir nicht nachvollziehen können. Ihre Perfidie ist
grenzenlos: Sie täuschen, lügen und bauen Vertrauen auf, nur um an ihre Opfer
zu gelangen. Es sind Menschen, die ihre Opfer auf das Unglaublichste körperlich
wie seelisch missbrauchen und genau durch diesen Missbrauch in die Verzweiflung
treiben. Sie halten diese dann gefangen, quälen sie mit Erbauung und sehen zu,
wie sie leiden. Anschließend weiden sie sich mit höchstem Genuss daran, wie
ihre Opfer daran zunehmend zerbrechen, und sie empfinden unendliche Macht und
allergrößte Lust durch all diese Qualen, die von ihnen ausgehen. Sie erzeugen
sexuelle Begebenheiten in ihren eigenen Köpfen, grausame Welten, die bei ihnen
nicht einmal des geringste Gefühl hinterlassen, etwas falsch gemacht zu haben.“
Dimitrios legte eine kurze Pause ein und trank einen kleinen Schluck. „Zum
Schluss beenden sie das grausame Schauspiel in ihrem Kopf, weil es zu
langweilig geworden ist; dann lassen sie den Vorhang ihres Dramas endlich
fallen, indem sie ihre Opfer töten. Das ist ihre eigentliche Berufung und für
sie der wichtigste Grund, warum sie auf der Welt sind, auf

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