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Gottes blutiger Himmel

Gottes blutiger Himmel

Titel: Gottes blutiger Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fawwaz Hahhad
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Grenzübertritt zuvorzukommen.
    Die Farbe wich aus seinem Gesicht. Er stand auf und sagte mit unterdrücktem Unwillen: »So einfach geht das nicht.« Er schien unschlüssig zu sein, was er tun sollte. »Ihr Leute von außerhalb wisst nicht, was hier vor sich geht. Die Situation ist sehr schwierig. Wir können die amerikanischen Bomben jenseits der Grenze fallen hören, und wir haben Verwandte dort. Der Krieg findet praktisch bei uns vor der Haustür statt, alle sind sehr aufgewühlt. Erst heute Morgen haben wir erfahren, dass ein junger Mann aus dem Dorf im Irak als Märtyrer gefallen ist. Er war vor knapp einem Monat rübergegangen.«
    »Wissen Sie, warum ich diesen Mann suche und warum ich ihn auf jeden Fall zurückholen möchte?«
    »Woher soll ich das wissen? Es geht mich nichts an, und ich will es auch gar nicht erfahren.«
    »Ich werde es Ihnen trotzdem sagen. Ich bin nicht beauftragt, ihn festzunehmen. Er ist mein Sohn.«
    Die Miene des Bürgermeisters hellte sich auf. Er sagte:»Wenn er noch hier ist, werden Sie ihn finden. Soweit ich weiß, ist gestern keine Gruppe von Kämpfern abgegangen. Die Wege über die Grenze sind derzeit nicht benutzbar, und das wird auch die nächsten zwei Tage so bleiben.«
    Ich hörte ein leises Klopfen ans Fenster. Der Bürgermeister öffnete die Tür und flüsterte draußen mit einer Person, deren Gesicht ich nicht sehen konnte. Er kam mit bedrückter Miene zurück und sagte: »Ich muss zur Trauerfeier für den jungen Mann. Und man möchte von mir wissen, wer Sie sind.« – »Ich begleite Sie«, sagte ich. Er wandte nichts ein, warnte mich aber, ich solle keinesfalls sagen, wer mich hierhergeschickt habe. Überhaupt solle ich aufpassen, was ich sage.
    Wir liefen durch die Dunkelheit. In einiger Entfernung sah ich Schatten durch Gassen huschen, versteckte Gesichter, die nur in Umrissen erkennbar waren, beobachteten uns. Nach fünf Minuten Fußmarsch über holprige Wege kamen wir in eine unscheinbare Gasse. Von einer Totenfeier mit Dorfältesten und Korangesang war nichts zu bemerken. Nur eine Tür stand halb offen, hinter der gedämpfte Geräusche zu hören waren. Der Bürgermeister stieß die Tür auf, wir traten ein und gelangten in einen großen Hof voller still dasitzender Menschen. Wir begrüßten die Anwesenden, die uns einen Durchgang und zwei Stühle frei machten, und setzten uns schweigend. Die Beleuchtung war spärlich; hier und da standen kleine Kerzen auf dem Boden, deren schwache Flammen flackerten und immer wieder auszugehen drohten. Glühende Zigaretten beleuchteten dann und wann ein trauriges, von Rauch verhülltes Gesicht. Mir fiel ein, dass das Haus des Bürgermeisters Strom gehabt hatte und die Häuser, an denen wir vorbeigegangen waren, beleuchtet gewesen waren. Ich fragte meinen Gastgeber danach, und er flüsterte mir zu, die Angehörigen des Märtyrers wolltenvermeiden, dass die Sicherheitskräfte auf ihre Totenfeier aufmerksam würden.
    Als die Versammelten sich an unsere Anwesenheit gewöhnt hatten, erklang aus den zitternden Schatten irgendwo in der Tiefe des Hofes fast flüsternd die Stimme des Koranrezitators: »Jede menschliche Seele wird kosten den Tod, doch sollt ihr belohnt werden am Tag der Auferstehung. Wer bewahrt wird vor dem Höllenfeuer und eingeht ins Paradies, dem ist großes Glück beschieden. Das irdische Leben ist nichts denn Eitelkeit.«
    Am Rand des Hofes standen Bäume, und ein warmer Luftschwall trug von flachen Hausdächern hinter uns unterdrücktes Schluchzen, Jammern und Weinen von Frauen und Kindern heran, und man konnte hören, wie sie sich ins Gesicht schlugen und mal lauter, mal leiser wehklagten. Es dauerte nicht lange, bis hinter den Bäumen bewaffnete Vermummte hervortraten, sich im Hof verteilten und die Trauergesellschaft umstellten. Mancher ihrer Bärte war so lang, dass er unter der Vermummung herausragte, und sie trugen kurze kakifarbene oder schwarze Jacken über langen weißen Gewändern.
    Zwei der Vermummten waren an uns herangetreten, der eine stand neben mir, der andere beugte sich von hinten zum Bürgermeister und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Daraufhin stand jener auf und ging mit ihm. Sie standen nun in einiger Entfernung nebeneinander, ein dritter Mann trat hinzu, und sie diskutierten erregt. Ich nahm an, dass es sich bei dem dritten Mann um den Anführer der Gruppe handelte. Sie sprachen offenbar über mich, denn der Bürgermeister zeigte auf mich, der Anführer hörte zu und nickte, dann steuerte er auf mich

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