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Gottes blutiger Himmel

Gottes blutiger Himmel

Titel: Gottes blutiger Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fawwaz Hahhad
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zu keiner Einigung gefunden hatten. In nichts waren wir uns so einig wie darin, dass es zur Scheidung kommen musste. Zunächst wollte Nuha sie jedoch nicht einreichen, weil sie befürchtete, »die Leute würden reden«, obwohl wir uns über diesen Ausdruck früher immer lustig gemacht hatten. Unsere Streitigkeiten hörten nicht auf, aber wir hielten dennoch eine erträgliche Beziehung aufrecht, zuweilen ohne darüber nachzudenken,bis Nuha ihre sozialen Bedenken und ich meine inneren Widerstände überwand und wir zum Religionsgericht gingen. Wir entschieden uns für die schnellste Variante der Scheidung, indem wir die Formel der unwiderruflichen Trennung aussprachen und uns gegenseitig von materiellen Verpflichtungen freisprachen. Von Verpflichtungen anderer Art konnten wir uns nicht so leicht lossagen, und die waren zahlreich genug. Nach unserer offiziellen Scheidung widmete sich Nuha ganz den Kindern, obwohl diese schon fast erwachsen und nicht mehr dringend auf sie angewiesen waren. Samer und Nada waren erleichtert darüber, dass mit unserer Trennung endlich ein Schlussstrich unter endloses banales Gezänk zwischen zwei Menschen gezogen war, die sie beide liebten.
    Das Schlimmste, was ich nach meiner Rückkehr vom Euphrat zu tun hatte, war, Nuha mitzuteilen, dass Samer tatsächlich in den Irak gegangen war und dass ich, sein Vater, nichts mehr für ihn tun konnte. Sie konnte zumindest noch Gott um Beistand bitten. Ich hütete mich davor, ihr das Beten auszureden und ihr zynisch vorzuhalten, Gott selbst hätte Samer für den Dschihad auserwählt. Sie nahm die Nachricht sehr schlecht auf. Ihre Vermutungen waren in Gewissheit umgeschlagen. In einem solch beängstigenden Zustand hatte ich sie nie zuvor gesehen. Sie wurde hysterisch und erging sich in einer fast wahnsinnigen Selbstanklage. Ich konnte keine Genugtuung empfinden, obwohl Samer zuletzt in ihrer Obhut gewesen war und sie zugesehen hatte, wie er fromm geworden war. Vielmehr befürchtete ich, sie könnte den Verstand verlieren oder sich selbst etwas antun, und war daher gezwungen, den ganzen Tag über bei ihr zu bleiben, bis Nada von der Universität zurückkam und sich dem Weinen ihrer Mutter anschloss.
12
    Es war hoffnungslos, dem Leiter des Geheimdienstabschnittes zu erklären, was in mir vorging. Mein Sohn war für ihn nichts weiter als ein Gesuchter. Er würde nie verstehen, was es für mich bedeutete, ihn vielleicht niemals wiederzusehen, noch begreifen, wie tragisch es für mich war, ihn am Leben zu wissen und doch seinen Tod nicht verhindern zu können. Ich berichtete dem Offizier in Kurzform, dass ich in Dawwasa gewesen war und nichts erreicht hatte. »Ich werde weder Ihnen noch mir selbst von Nutzen sein können«, beschied ich ihm. Das Einzige, was ich noch tun könne, sei, tatenlos dazusitzen und auf einen Anruf von jenseits der Grenze zu warten, in dem mir mitgeteilt würde, dass mein Sohn als Märtyrer im Kampf für den Dschihad gefallen sei.
    Der Offizier räusperte sich und murmelte etwas, was wohl ein Vorschlag sein sollte. Aber ich unterbrach ihn ärgerlich und versuchte ihm noch einmal darzulegen, was es für mich bedeuten würde, wenn mein Kind nicht mehr auf dieser Welt wäre. »Ich werde nicht einmal seine Überreste oder seine Asche zu sehen bekommen!«
    War dieser Mann daran gewöhnt, dass Leute verschwanden, ohne eine Spur zu hinterlassen? Gewiss. Trotzdem fand er nun doch Worte des Trostes: Leider könne er in dieser Sache zwar nichts mehr tun, aber er habe mir noch etwas zu berichten, was mir in meiner Not vielleicht ein wenig Erleichterung verschaffen würde. Die gute Nachricht sei, meinte er, dass Samer persönlich kein Selbstmordattentat begehen würde. »Seien Sie zumindest in dieser Hinsicht beruhigt. Das schützt ihn natürlich nicht vor anderen Gefahren, aber was wir sicher wissen, ist, dass er nicht in den Tod gehen soll.«
    Seine frühere Einschätzung habe er revidiert, so der Offizier,als er entdecken musste, dass die Dienste durch gezielte Fehlinformationen in die Irre geführt worden seien. Erst gestern hätten seine Mitarbeiter von einem frisch Verhafteten erfahren, dass alle Bewegungen, die man über Samer aufgezeichnet hatte, nur Tarnung gewesen seien. Alles habe ausdrücklich so aussehen sollen, als würde man einen jungen Mann für den Dschihad rekrutieren und in den Irak schicken. Dieser würde es dorthin schaffen oder auch nicht – vielleicht würde er unterwegs getötet. So habe es aussehen sollen, und so habe

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