Gottes blutiger Himmel
es auch ausgesehen, aber was sich tatsächlich abgespielt habe, sei den Sicherheitsdiensten entgangen. Der Festgenommene sei während des Verhörs zusammengebrochen und habe daraufhin viel mehr offenbart, als der Geheimdienst erwartet hatte: So sei schon vor sechs Monaten damit begonnen worden, eine logistische Zelle aufzubauen, die aus dem Libanon heraus agierte und in Syrien ihre Basis aufgebaut hatte. Die Gruppe unterstand dem Befehl eines Emirs, den sie zuvor anerkannt hatte. Einer seiner Gefolgsleute beschaffte Geld und Waffen, andere stellten gefälschte Personalausweise und Pässe verschiedener Staaten her, mit denen die Kämpfer sich frei bewegen konnten.
In dieser Zeit war es Samer gelungen, Kontakt zu al-Qaida aufzunehmen und in den Irak zu reisen, wo er über einen Monat lang blieb. Er traf dort den höchsten Vertreter der Organisation, Abu Musab az-Zarqawi. Er führte mit ihm religiöse und organisatorische Gespräche und plante mit ihm, Syrien in fünf Gebiete aufzuteilen, für die jeweils ein Emir zuständig sein sollte. Vermutlich wurde auch beschlossen, Samer die Führung aller syrischen Dschihad-Basen anzutragen.
Eine gute Nachricht war das nicht gerade. Die Geständnisse des Verhafteten erschütterten mich und raubten mirfast den Verstand. Samer war in eine Sache verwickelt, die für mich unvorstellbar war. Er sollte sich also dazu verstiegen haben, eine Schlüsselrolle bei al-Qaida anzunehmen und Syrien als Emir zu führen! Die Geschichte überzeugte mich nicht. Weder dass er angeblich eine so herausragende Rolle spielte noch dass er mit az-Zarqawi, der treibenden Kraft der al-Qaida im Irak, Kontakt gehabt haben sollte. Wer kam denn an diesen Mann heran? Wenn es ihn überhaupt gab!
»Glauben Sie denn, dass az-Zarqawi noch lebt?«, fragte ich den Offizier. Ich erinnerte mich an amerikanische Berichte, denen zufolge er schon vor Jahren in den Bergen von Sulaimaniya im Nordirak getötet worden sei, als US-Kampfflugzeuge eine Basis der Ansar-al-Islam-Gruppe bombardiert hatten. Seitdem herrschten zumindest starke Zweifel daran, dass er noch lebte.
»Es gibt widerstreitende Informationen über sein Schicksal«, meinte der Offizier. »Wenn Ihr Sohn az-Zarqawi nicht getroffen hat, dann zumindest einen seiner Getreuen.«
Er wollte anscheinend nicht bestätigen, was die Iraker sagten, nämlich dass der Terrorfürst überlebt habe. Denn es gab außerdem Gerüchte, er sei verwundet und anschließend in Syrien behandelt worden. Danach sei er, ohne seine Heilung abzuwarten, wieder in den Irak gegangen. Er habe deshalb bis heute ein Fußleiden. Aber ich wollte gar keine Diskussion über diesen Mann führen, dessen Name allein schon Schrecken verbreitete und den man nicht umsonst den blutigen Emir nannte. Er war ein Vermummter, der entführten Kollaborateuren vor laufender Kamera die Köpfe abschlug und die Aufnahmen davon veröffentlichen ließ.
Ich dachte über Samer nach. Er war doch viel zu unerfahren, um in so kurzer Zeit ein bedeutendes Mitglied einer Terrororganisation zu werden, die auf dem ganzen Erdballaktiv war. Jeder wusste, dass al-Qaida aus vielen einzelnen Zellen bestand. Es gab eine al-Qaida in Afghanistan, im Irak, in Saudi-Arabien und mehrere Ableger in Europa. Alle hatten sie einen Krieg gegen »Juden und Kreuzfahrer« ausgerufen und gelobt, allerorts amerikanische Interessen anzugreifen. Al-Qaida-Kämpfer wurden auf der ganzen Welt gejagt.
Ironisch sagte ich zu dem Offizier: »Erzählen Sie mir nicht, dass Samer weltweit gesucht wird!«
»Zumindest kann es sein, dass Ihr Sohn eine wichtige Rolle in der sogenannten al-Qaida für den Dschihad in Großsyrien spielt.«
»Mir scheint, Sie sprechen von jemand anders. Das ist nicht mein Sohn, auch wenn er genauso heißen sollte. Wer ist er denn, dass er mit al-Qaida Kontakt aufnimmt und heimlich in den Irak geht in der Hoffnung, eine hohe Stellung zu erhalten, die diese Organisation einem jungen Studenten nie zubilligen würde?«
»Väter denken immer, ihre Söhne seien noch Kinder, egal wie alt sie werden«, meinte der Offizier spitz.
Trotzdem, es blieb eine Unklarheit in seinen Ausführungen, und die betraf az-Zarqawi selbst. Ich persönlich glaubte, dass es ihn gar nicht gab. Und wenn viele ihn hochhielten, dann nur, um ihm die abscheulichsten Anschläge anzuhängen. Selbst die Amerikaner erweckten ihn nun wieder zum Leben und brachten ihn mit extremistischen Gruppen in aller Welt in Verbindung. Er habe mit arabischen Terroristen in
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