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Gottes blutiger Himmel

Gottes blutiger Himmel

Titel: Gottes blutiger Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fawwaz Hahhad
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Jonathan kam in der Sache nicht weiter. Die Familien der Betroffenen waren zurückhaltend und verängstigt, manche bestritten auch, überhaupt Drohungenerhalten zu haben, und erbaten keinen Schutz für ihre Söhne. Miller sagte nur kurz: »Notieren Sie das in Ihrem Bericht.« Jonathan erwiderte, er würde noch einmal versuchen, mit den Familien ins Gespräch zu kommen.
    Als wir hinausgingen, blieb Miller an der Tür stehen und betrat noch einmal den Wohnwagen. Er meinte, er habe vergessen, Jonathan etwas zu sagen. Ich setzte mich ins Auto und wartete. Miller kam nach zehn Minuten und entschuldigte sich für die Verspätung. Er schien verstört und fand nicht wieder zu seiner Ausgeglichenheit zurück.
    Im Hotel vergewisserte er sich, dass meine Reservierung und auch sonst alles in Ordnung war. Im Flur zu den Aufzügen sagte er mir dann, dass wir uns heute nicht mehr sehen könnten, denn er müsse sofort mit seinen Ermittlungen beginnen und brauche den ganzen Abend dafür. Damit mir nicht langweilig würde, empfahl er mir, ich solle doch in den Einkaufsmarkt in der Nähe des Hotels gehen. Er sei ganz modern und gerade erst eröffnet worden, um den Soldaten und sonstigen Ausländern lange Wege zu ersparen. Nachdem wir uns für den nächsten Morgen verabredet hatten, ließ er mich allein.
    Ich ging auf mein Zimmer, verstaute meine wenigen Sachen in den Schränken und Schubladen und nahm ein warmes Bad. Bevor ich wieder hinunterging, trat ich auf den Balkon. Mein Zimmer ging auf den Swimmingpool hinaus. Jüngere und ältere Männer badeten darin, andere schlenderten mit bunten Sonnenhütchen darum herum. In der weiteren Umgebung erstreckte sich die Grüne Zone unter Wachtürmen. Ich war in einer riesigen Kaserne.
    Ziellos spazierte ich durch die Straßen. Es überraschte mich nicht, überall verstreut weitere Checkpoints zu sehen und auf lästige Sicherheitsanweisungen zu stoßen, deren Einhaltung streng überprüft wurde. Die Hitze war noch immerunerträglich, es herrschten an die fünfzig Grad. Nachdem ich in einer Pizzeria zu Abend gegessen hatte, ging ich zu dem Markt, den Miller mir genannt hatte. Ich bummelte von einem Laden zum nächsten. Die Verkäufer waren Iraker, die in der Grünen Zone wohnten, in ihren Läden gab es traditionellen irakischen Schmuck, Miniaturen, archäologische Fundstücke, arabisches Parfüm, Handys, CDs, irakische Flaggen mit aufgedrucktem »Allahu akbar« und alte Militäruniformen. Ein Fotogeschäft animierte Kunden dazu, sich in arabischer Kleidung fotografieren zu lassen. Amerikanische Soldaten liefen herum, blieben stehen, kauften sich als Souvenirs irakische Münzen mit Saddams Konterfei darauf und posierten für Gruppenbilder.
    Ich kehrte zum Hotel zurück und legte mich hin, fand aber keinen Schlaf, weil ich an Sana denken musste. Ich war nicht ehrlich zu ihr gewesen, auch wenn ich ihr nicht verheimlicht hatte, wohin ich verreisen würde und welche Vorbereitungen ich dafür traf. Aber in den letzten Tagen wollte ich sie nicht in Dinge hineinziehen, die sie nur belastet hätten, und hatte es daher vermieden, mit ihr zu sprechen. So kam es, dass in der Zeit, die wir miteinander verbrachten, jeder für sich allein blieb. Auch sie verbarg mir etwas, aber ich versuchte nicht in Erfahrung zu bringen, was. Mein Zustand war nicht dazu angetan, sie zu fragen, was sie bekümmerte. Ich hatte schon genügend Sorgen und begnügte mich damit, mir vorzustellen, dass sie sich meinetwegen Gedanken machte. Als ich eines Nachts merkte, dass sie wach neben mir im Bett lag, erklärte sie, sie könne nicht schlafen, weil sie so viel Kaffee getrunken habe. Aber am Kaffee lag es nicht. Dass wir uns dann fest umschlangen, war nur dem Impuls zu verdanken, durch Sex der Schlaflosigkeit zu entfliehen. Aber auch das konnte uns nicht von dem ablenken, was in uns vorging. Wir beide konnten nicht verdrängen,was sich nicht verdrängen ließ – aber dachten wir an dasselbe? Wir schwiegen und hingen unseren Gedanken nach, ohne sie auszusprechen. Ich sagte ihr, ich könne an nichts denken, etwas fresse mich auf und nichts könne mich trösten. Sie lag nackt in meinen Armen, ich vergrub meine schwarzen Gedanken in ihrer weißen Haut, ruhte meinen Kopf an ihrer Schulter aus und weinte. Sie zog mich fest an sich und weinte mit mir. Nein, wir weinten nicht aus demselben Grund, aber ich fragte nicht, und auch sie offenbarte sich mir nicht. Erst in Bagdad fielen mir die Fragen ein, die ich ihr hätte stellen sollen. Aber

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