Gottes erste Diener
VI. sich mit seiner Berufung auf die »beständige« Lehre der
Kirche zur Empfängnisverhütung in Wirklichkeit auf eine Lehre berief, die
vierzig Jahre zurückreichte, bis Casti connubii, und gegen die echte
Tradition ging.
Als Vaticanum II es ablehnte,
die Unterscheidung zwischen Haupt- und Nebenzwecken der Ehe zu verwenden, war
es sehr weise. Diese Unterscheidung macht jede Lösung des Dilemmas Empfängnisverhütung
unmöglich.
In jüngster Zeit sind sich
Moraltheologen der vielen Dimensionen der Sexualität bewußt geworden. Freud hat
gezeigt, daß es dabei nicht vor allem um Genitalien und Genitalkontakt geht,
sondern um Menschen und Beziehungen. Die alte Lehre war eine rein genitale
Sicht der Sexualität. Nachdem einmal anerkannt war, daß es in der Sexualität um
Menschen und um Liebe geht, war es wichtig, dies in die christliche Sexualmoral
zu integrieren. Statt die Sexualität neu zu überdenken, wurden die Moraltheologen
durch das Heilige Offizium und Casti connubii gezwungen, den alten
Befunden einfach ein paar neue anzufügen. Das Resultat war ein Zwitter. Casti
connubii hat durchaus moderne Elemente — gegenseitige Hilfe, gegenseitige
Liebe —, doch sie sind Anhängsel dessen, was jetzt das Hauptziel der Ehe heißt,
nämlich der Fortpflanzung.
Doch die neue Zwitterlösung ist
ebenso unannehmbar wie die traditionelle und viel weniger logisch. Tatsächlich
ist die neue Lösung überhaupt keine moralische. Sie nennt die Liebe »sekundär«
und ordnet sie einem biologischen Kriterium der Sexualität unter. Was wirklich
zählt, ist die korrekte Paarung. Liebe, Achtung, Mitgefühl, Sorge für die schon
geborenen Kinder — all diese moralischen Elemente erhalten den zweiten Platz
nach den biologischen, nämlich Penetration und Insemination. Sind diese
biologischen Elemente vorhanden, ist der Geschlechtsakt »in Übereinstimmung mit
dem Recht der Natur«. Doch wirklich naturrechtliche Elemente wie Liebe und
Mitgefühl dürfen nicht die entscheidende Rolle bei der moralischsten aller
Handlungen, dem Geschlechtsverkehr zwischen Eheleuten, spielen. In Casti
connubii war die Tragödie vorgezeichnet, die mit Humanae vitae zur
vollen Entfaltung kommen sollte.
Es ist durchaus nicht boshaft
zu sagen, daß die katholische Kirche heute tief in der Tragödie steckt, weil
Päpste ihre eigene Tradition mißverstanden haben. Pius XI. hat eine Enzyklika
auf der Basis von Augustins Lehre strukturiert und dann vieles gesagt, was der
ganzen von Augustinus bestimmten Tradition zuwiderläuft. Pius XII. schien nicht
zu bemerken, daß auch er die lange Tradition der Kirche leugnete.
Er sagte 1940 in einer
Ansprache an gerade getraute Paare:
Derselbe
Schöpfer, der in Seiner Güte und Weisheit wollte, daß das Werk von Mann und
Frau der Erhaltung und Fortpflanzung der Menschheit diene, indem Er sie in der
Ehe vereinte, hat auch bestimmt, daß das Paar in dieser Funktion Vergnügen und
Freude an Leib und Seele erfahre. Das Paar, das dieses Vergnügen sucht und
erlebt, tut also kein Unrecht.
Der Papst spricht von Vergnügen
— offenbar kann er sich nicht dazu bringen, vom Geschlechtsverkehr als einem
Akt, dem Akt der Liebe zu sprechen. Seine Wortwahl ist aus zwei Gründen
interessant. Erstens, weil sie der Lehre der meisten früheren Päpste
widerspricht, die gesagt hatten, sexuelles Vergnügen sei nie frei von Sünde,
und Paare sollten am Morgen nach dem Geschlechtsverkehr nicht kommunizieren.
Zweitens, weil er die Fortpflanzung als Hauptzweck der Ehe setzt, indem er sich
auf das »Vergnügen« konzentriert und das Wort »Liebe« nicht ausspricht.
»Vergnügen« riecht nach Hedonismus, doch wie steht es mit »Liebe«? Hätte Pius
XII. im Licht des Evangeliums die Liebe so leicht der Fortpflanzung unterordnen
können? Mit Sicherheit nicht.
Pius’ XII. größte Abweichung
von der Tradition kam jedoch, als er 1951 zu Hebammen sprach. Zum erstenmal gab
hier ein Papst eine eingeschränkte Zustimmung zur Rhythmusmethode der
Empfängnisverhütung.
Zwar hatte es im neunzehnten
Jahrhundert Versuche gegeben, diese Methode wissenschaftlich abzusichern, doch
sie war zu unzuverlässig, bis Ogino und Knaus in den späten 1920er Jahren ihre
Ergebnisse veröffentlichten. Während Rom sich früher gegen die Moral der
Rhythmusmethode ausgesprochen hatte, brachte die Rede Pius’ XII. einen völligen
Wandel im katholischen Denken mit sich.
Ihm zufolge ist die Nutzung der
unfruchtbaren Zeit legitim, weil sie die Natur des Akts nicht
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