Gottes geheime Schöpfung: Thriller (German Edition)
womit du das Herz eines Mädchens erobern kannst. Woher hast du sie?«
»Die Versandabteilung von Westing. Es ist eine Probe, die unterwegs zu genau der Adresse war, die du mir gegeben hast.«
»Und warum bringst du sie zu mir?«
»Weil sie das ist, was du brauchst, das hast du doch gesagt, stimmt’s? Knochenkollagen, um mehr über die Knochen auf dem Foto sagen zu können.«
»Es gibt da gewisse Tests, ja, in Bezug auf die ökologische Nische. Das ist also eine Probe von diesen Knochen?«
»Möglicherweise nicht genau von den Knochen, aber ich vermute stark, dass sie aus derselben Ausgrabungsstätte stammen.«
»Du vermutest es? Irgendetwas sagt mir, dass du auf nicht ganz legale Weise an diese Knochenprobe gekommen bist.«
»Wenn du aussteigen willst, könnte ich das gut verstehen.«
»Aussteigen? Niemand hat gesagt, dass ich überhaupt eingestiegen bin.«
»Ist das ein Nein?«
»Das ist ein Vielleicht.«
Paul sah sie aufmerksam an. »Wenn du nichts damit zu tun haben willst, würde ich dir das nicht verübeln. Ich bin vermutlich verrückt, dass ich dir diese Knochen überhaupt gebracht habe. Schließlich schuldest du mir nichts.«
»Ich weiß«, gab sie zurück. »Sag mir nur eins: Ist es wichtig?«
»Ja«, meinte Paul.
»Wie wichtig?«
»Ich will es einmal so ausdrücken: Ich werde nach alldem hier ganz bestimmt nicht mehr in meinem alten Job arbeiten.«
»Dann mache ich es.«
»Sicher?«
»Ich will nicht behaupten, dass ich mir sicher bin, aber ich werde es trotzdem machen. Ich kann es an einem Nachmittag bewerkstelligen. Außerdem ist diese Mantel- und Degengeschichte erheblich interessanter als mein alltäglicher Jobstumpfsinn.«
»Wie sieht denn dein alltäglicher Jobstumpfsinn aus?«
»Ich arbeite mit Proben. Papierkram. Und muss mit den üblichen Büroquerelen klarkommen.«
»Klingt nett.«
»Ist es aber nicht.«
»Höre ich da so etwas wie Angst heraus?«
»Angst ist ein psychologischer ›Ausschlag‹«, sagte sie. »Bei dem sich das Immunsystem des Verstandes gegen sich selbst richtet.«
»Offenbar hast du das gut durchdacht.«
Sie lächelte. »Angst ist das, was nicht stimmt, wenn alles andere stimmt.«
»Ich dachte, das wären Depressionen?«
»Nein. Die meisten Leute, die deprimiert sind, sind das deshalb, weil ihr Leben Scheiße ist. Sieh mich nicht so an, das stimmt. Meine Schwester war depressiv. Sie hatte einen Job, den sie hasste, und eine Beziehung mit einem Mann, den sie hasste. Voilà, Depressionen. Sie hat gekündigt und ist jetzt eine bankrotte, aber glückliche Lesbe. Depressionen sind die Art und Weise, wie dir dein Verstand sagt, dass du nicht das tust, was du tun solltest. Kann ich die Probe mal sehen?« Sie streckte die Hand aus.
Paul gab ihr den Beutel. Darin befand sich eine kleine Scheibe von Knochenmaterial, eingewickelt in Plastik. »Reicht das für einen Test?«
Sie wog den Beutel in der Hand und inspizierte kurz den Inhalt. »Ja, das sollte genügen.«
Die Kellnerin kam mit Pauls Bier. Er bedankte sich.
»Wissen die, dass du das hier entwendet hast?«, erkundigte sich Lilli, nachdem die Kellnerin verschwunden war.
»Noch nicht. Wann hast du die Ergebnisse?«
»Hängt davon ab, wann ich Laborzeit bekommen kann. Wahrscheinlich dauert es ein paar Tage.«
Paul trank einen Schluck Bier. Hinter ihm im Restaurant schwoll der Lärmpegel an, als eine lautstarke Gruppe den Raum betrat. Betrunkene Collegekids, die aus einer Bar kamen und jetzt etwas essen wollten, bevor sie ihre Kneipentour fortsetzten. Er hatte niemals zu ihnen gehört. War niemals so sorglos gewesen. Er blickte auf sein Bier und beobachtete, wie Kohlensäurebläschen in der gelben Flüssigkeit aufstiegen.
»Du bekommst deswegen doch keine Schwierigkeiten bei der Arbeit?«, fragte er.
»Nein, das ist eine Kleinigkeit«, erwiderte sie. »Niemand wird etwas merken. Ich leite praktisch diesen Teil des Labors.«
»Ich will dir keine Probleme bereiten.«
»Ich arbeite in einem Labor, wo nichts passiert. Mein Leben ist nicht gerade so gelaufen, wie ich es gewollt habe. Größere Abenteuer als das hier erlebe ich nicht.«
»Ich glaube, dein Leben ist ganz gut gelaufen.«
»Und was ist mit dir?«
»Was soll mit mir sein?«
»Wie hat sich dein Leben entwickelt? Ich meine, abgesehen von Diebstahl und illegalen Machenschaften mit uralten Knochenrelikten oder was auch immer das hier ist.«
»Drei Viertel eines Master-Abschlusses, dann kam Westing mit einem Angebot. Vier Jahre praktische
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