Gottes geheime Schöpfung: Thriller (German Edition)
Zug die Grenze nach Indiana und hielt in Hammond und Gary. Paul sah riesige Schornsteine und weißen Rauch, gewaltige Metallbauwerke, gegen die all die Gebäude außerhalb von Chicago winzig wirkten. Sie sahen aus wie rostige Wolkenkratzer aus Metall, die auf der Seite lagen. Auf dem Dach eines der Gebäude standen die Worte uss gary works. Die riesige Fabrikanlage rollte mehrere Meilen lang an ihnen vorbei.
P aul betrachtete die anderen Reisenden. Der South Shor e war ein Pendlerzug. Er wurde hauptsächlich von Leuten benutzt, die von der Arbeit kamen oder zur Arbeit fuhren. Von Männern und Frauen, die ihrem Alltag nachgingen.
»Wer ist gestorben?«, erkundigte sich Lilli.
Paul sah sie an. Sie wirkte ernst. »Wie bitte?«
»Du sagtest, der Letzte, der dir geholfen hätte, wäre tot.« Sie sprach so leise, fast flüsternd, dass die anderen Passagiere sie nicht hören konnten. »Wer war es?«
»Sein Name war Charles. Er war ein Kollege.«
»Wie ist es passiert?«
»Es war eine üble Sache.«
»Wie schlimm?«
»So schlimm, dass du ganz bestimmt nichts darüber hören willst.«
Draußen veränderte sich die Landschaft, wurde plötzlich ländlich. Als wäre eine Linie gezogen worden. Paul sah die braunen Rohrkolben des Schilfs vorbeihuschen, ein kleines Sumpfgebiet rings um die Gleise. Jenseits dieser Sümpfe erstreckten sich in der Ferne Wälder.
»Du sagtest, du hättest die Knochen schon getestet«, meinte Paul.
»Ja, habe ich«, erwiderte Lilli.
»Was hast du herausgefunden?«
»Die Ernährung dieser Leute bestand zu zehn Prozent aus Fisch. Und zu zwanzig Prozent aus kleinen Nagern. Dreißig Prozent waren große Säugetiere.«
»Sie waren Jäger?«
»Jäger und Sammler. Es war dasselbe Profil, das du überall findest. Die restlichen Bestandteile ihrer Nahrung waren pflanzlicher Natur. Nichts Ungewöhnliches für so uralte Knochen. Das typisch menschliche Muster.«
»So wie wir«, flüsterte Paul und lehnte seine Stirn gegen das kühle Glas.
Sie stiegen in Ogden Dunes aus. Der Bahnhof bestand nur aus einem schmalen Parkplatz. Auf der anderen Straßenseite hinter einem weißen Lattenzaun wurden Häuser für gehobene Ansprüche errichtet. Sie gingen ein Stück weit zu einer Marathon-Tankstelle, wo man ihnen die Nummer der örtlichen Taxifirma gab. Das Taxi setzte sie am nächstgelegenen Hotel ab, einem Days Inn. Dort bezahlte Paul das Zimmer in bar.
Sie duschten gemeinsam, und Paul pflückte das Glas aus ihrem Haar. Anschließend liebten sie sich auf der Tagesdecke, und für eine Weile konnte Paul sich vollkommen darin verlieren. Er konnte so tun, als wäre nichts von dem anderen tatsächlich passiert.
Dann zog er sich an und erkundete die Nachbarschaft. Er kaufte aus dem örtlichen Dennys Hühnchen zum Abendessen und nahm es mit ins Hotel. Als er zurückkam, überkam ihn ein merkwürdiges Déjà-vu. Es war jetzt bereits das zweite Mal, dass er sich verkroch und versteckte. Das Schlimmste aussaß. Das letzte Mal hatte es nicht so gut geendet. Nichts konnte die Dinge so gut zurechtrücken, wie wenn man um sein Leben lief.
Als er am nächsten Morgen aus einem unruhigen Schlaf erwachte, blieb er noch eine Weile im Bett liegen und ging im Kopf ihre Alternativen durch.
Sie musste seine Gedanken erraten haben. »Wir sollten zur Polizei gehen«, sagte sie.
»Was?« Er hatte nicht bemerkt, dass sie schon wach war.
»Die Cops. Wir könnten zu den Cops gehen und ihnen sagen, was wir wissen.«
»Was wissen wir denn?«
»Dein Kollege ist tot. Das wissen wir. Und wir wissen auch, dass wir gejagt werden.«
Er nickte. Unwillkürlich fragte er sich, ob Charles’ Leiche schon gefunden worden war. Und er überlegte, ob der Computerfreak noch lebte. Vor allem jedoch dachte er darüber nach, wie Axiom wohl plante, all das zu vertuschen, was passiert war. Die Leute dort waren nicht dumm. Es musste einen Plan geben, dem sie folgten. Aber dieser Plan, wie auch immer er aussah, war davon ausgegangen, dass Paul tot war. Also gab es vielleicht noch eine Chance.
»Und was dann?«, wollte Paul wissen. »Nachdem wir zur Polizei gegangen sind, meine ich.«
»Was meinst du?«, fragte Lilli zurück.
»Wir gehen zu einer Polizeistation und erstatten dort unsere Anzeige. Was kommt dann? Gehen wir nachhause, während sie den Fall untersuchen? Leben wir unser normales Leben weiter?«
»Warum nicht?«
»Weil sie uns umbringen werden.«
»Dafür gibt es doch ein Zeugenschutzprogramm.«
»Irgendetwas sagt mir, dass es
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