Gottes geheime Schöpfung: Thriller (German Edition)
kein Narr. Paul wusste nicht einmal, ob nicht gerade in diesem Moment jemand eine Waffe auf ihn richtete, eine Waffe, die er nicht sehen konnte.
»Ich kannte deinen Vater eine lange Zeit«, fuhr Johansson fort. »Er war ein außerordentlich begabter Wissenschaftler.«
»Das hat man mir gesagt.«
»Ich sehe ihn in dir.«
»Das tun nur wenige Leute.«
»Ah, aber sie achten nicht auf die wichtigen Dinge, hab ich recht?« Der alte Mann blätterte die Seiten des Buches vor ihm durch. »Aristoteles hat geschrieben«, fuhr er fort, »dass der Mensch im besten Fall das edelste aller Tiere sei; aber auch das schlimmste. Die Wege deines Vaters und die meinen haben sich in gewisser Weise getrennt. Das hat mir damals sehr großen Schmerz bereitet, aber ich konnte die Gründe verstehen. Dein Vater … er war ein schwieriger Mann, in mancherlei Hinsicht. Aber vielleicht weißt du das ja bereits?«
»Das ist meiner Aufmerksamkeit vollkommen entgangen.«
»Oh, das bezweifle ich.« Der Alte lächelte. »Und dann deine Mutter. Sie war ebenfalls eine brillante Arbeiterin, wenngleich vielleicht auch nicht so begabt. Oder so besessen. Es ist eine Art Ausgleich, stimmt’s? Verstehst du etwas davon, von Kompromissen?«
Paul verstand.
»Lassen Sie Lilli gehen.«
Martial Johansson sah ihn überrascht an. »Jetzt sprichst du von Kompromissen. Dann sag mir, was du mir dafür zu bieten hast.«
»Sie hat nichts damit zu tun.«
»Oh, das hat sie durchaus. Also.« Der alte Mann machte eine Pause. »Paul, du musst meine Lage verstehen. Es ist eine sehr schwierige Zeit … nicht zuletzt dank deiner eigenen Aktivitäten. Die politische Situation ist im Augenblick sehr unklar, ein Umstand, den du zu deinem eigenen Vorteil auszunutzen versucht hast. Glücklicherweise war der Kongressabgeordnete Lacefield für Verhandlungen zugänglich.«
»Er hat uns verkauft?«
»Es war wohl eher ein Tauschgeschäft.«
»Ein Tausch? Als Gegenleistung für was?«
»Selbstverständlich für Senatsstimmen. Politiker müssen ihre Anhänger bei Laune halten. Und um das klarzustellen: Die Informationen, die du weitergeben wolltest, wären einer großen Anzahl von Leuten auf beiden Seiten des Mittelgangs höchst unangenehm gewesen. Dem Status quo dient man wohl kaum, indem man zu viel Aufsehen um eine solche Sache erregt.«
Der Alte öffnete das Buch, das vor ihm lag. Darin befanden sich große Farbdrucke von Knochen. Es war ein Fachbuch.
Johanssons Blick verweilte bei dem schimmernden Foto eines Schädels. Er berührte das Bild. »Die Magie liegt im Detail, stimmt’s?«, fragte er. »Die sorgfältige Messung. Interpretationen kommen und gehen wie die Gezeiten, werden diskutiert wie Moden, aber die Messungen selbst bleiben. Sie sind unvergänglich. Man hat mir gesagt, dass du ein Mann bist, der so etwas ebenfalls schätzt.«
»Sie wird niemandem etwas sagen, wenn Sie sie gehen lassen.«
»In Java war es der Homo erectus. In Europa die Neandertaler. Und in Sibirien deuten die neuesten DNA -Funde auf etwas vollkommen anderes. Ebenso eindeutig wie die Neandertaler, aber anders als sie. Es sind Knochen, die in einer Höhle bei Denisowa gefunden wurden.« Der Alte blätterte weiter, während seine entzündeten, geröteten Augen von Foto zu Foto glitten.
» Homo erectus, Homo heidelbergensis, Australopithecus, Ramapithecus, all diese unterschiedlichen Kreaturen. Das, Paul, ist es, womit wir uns vermischt haben, als wir unser Paradies verließen.«
»Sie sind wahnsinnig«, erklärte Paul.
Der alte Mann lächelte. »Du hast erst so wenig gesehen. Aus diesem Grund kannst du natürlich nicht alles verstehen. Du bist wie ein Fisch, der eine Schildkröte wahnsinnig nennt, weil sie von trockenem Land redet. Glaubst du denn tatsächlich, das alles wäre einfach nur eine Theorie von mir?«
Der alte Mann stand auf. Er klappte das Buch mit den Fotos zu.
»Komm mit, Paul, ich möchte dir etwas zeigen.«
Sie gingen durch den Flur zu einer Treppe und stiegen in eine tiefere Etage des Gebäudes hinab. Zwei Leibwächter folgten ihnen. Sie hatten vor der Tür der Bibliothek gestanden, klar.
Martial Johansson ging durch eine Sicherheitsschleuse und führte Paul in ein Laboratorium. »Das hier ist das Anthropogenese-Labor.«
D as Labor war weiß und steril. Auf Regalen an der Wan d standen Gläser und Mikroskope. Auf der gegenüberliegenden Seite eine Reihe von Computern.
»Es hat uns Jahre gekostet, die Abläufe zu perfektionieren«, fuhr der Alte fort. »Und hier
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