Gottes geheime Schöpfung: Thriller (German Edition)
abzuschütteln. Ein Wesen aus dem Dschungel hatte ihn verfolgt, eine Gestalt in der Dunkelheit. Die Frau zwei Sitze neben ihm hatte sich nicht gerührt, was bedeutete, dass er nicht geschrien hatte. Wenigstens etwas. Sie lag zurückgelehnt auf ihrem Sitz, und ihr blondes Haar fiel über ihr friedliches Gesicht. Neid durchzuckte ihn. Es war schon lange her, dass er ohne Albträume geschlafen hatte. Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr: vier Uhr morgens.
Er würde keinen Schlaf mehr finden.
Um halb sechs wurde es etwas heller, die Wolken draußen vor den Fenstern wurden allmählich weißer. Er winkte die Flugbegleiterin zu sich, als sie an ihm vorbeiging.
»Könnte ich bitte etwas zu trinken bekommen?«
»Selbstverständlich«, erwiderte sie. »Was darf ich Ihnen bringen?«
»Wasser.«
Es wurde ihm mit Eiswürfeln serviert. Er leerte das Glas und starrte dann hinaus auf den sich aufhellenden Himmel. Er sah gern aus den Fenstern von Flugzeugen. Es war ein Anblick, dessen er nie müde wurde. Tief unter ihnen materialisierte sich ein Ozean aus der Dunkelheit. Während der nächsten zehn Minuten ging die Sonne rasch auf; sie flogen nach Osten, dem Morgengrauen entgegen. Eine Reihe wattiger Wolken schwebte in einer Linie unterhalb des Flugzeugs und warf dunkle Schatten auf das glitzernde Wasser. Von hier oben aus wirkte die Oberfläche des Ozeans rau und steinig, nicht wie Wellen, sondern eher wie die Haut einer Orange.
Gavin war sich nicht sicher gewesen, ob er das Flugticket wirklich benutzen sollte, bis er es schließlich doch tat. Selbst als er in der Reihe vor dem Schalter stand, war er noch unschlüssig gewesen. Einige Male hätte er sich beinahe umgedreht, um in die andere Richtung davonzugehen. Wäre wieder in den Wagen gestiegen. Hätte das Parkhaus verlassen. Und was dann?
Es war diese Frage gewesen, die ihn veranlasst hatte, durch die Sicherheitskontrolle zu gehen und seinen Sitz im Flugzeug einzunehmen. Denn es war eine Frage, auf die es keine Antwort gab.
Kommen Sie.
Da war er.
Und tat, als hätte es jemals eine andere Wahl gegeben.
Das Flugzeug begann seinen Anflug auf den Flughafen von Los Angeles kurz vor acht. Eben noch waren sie über flachem Wasser, dann sah er die weißen Brecher, einen Strand. Amerika erhob sich, um nach ihnen zu greifen. Ein sanfter Rums, das Geräusch der Räder. Der längste Teil der Reise war vorbei. Nachdem er das Flugzeug verlassen hatte, stellte er fest, dass sein Anschlussflug große Verspätung hatte und voraussichtlich erst um elf Uhr abgehen würde. Jetzt saß er hier fest, hatte nichts zu tun und dafür mehrere Stunden Zeit. Für genau solche Gelegenheiten war Alkohol erfunden worden.
Er ging zur Bar des Flughafens und bestellte einen White Russian. Er leerte ihn in einem Zug.
Dann bestellte er den nächsten.
Jetzt hätte sich der Hang zur Selbstzerstörung eingeschaltet, wenn er das zugelassen hätte. Wenn er zu viel trank, dann ließen sie ihn vielleicht nicht in die nächste Maschine steigen. Er hatte schon von ähnlichen Fällen gehört. Und dann wäre es nicht mal seine Schuld gewesen. Gavin vermutete, dass es viele Leute gab, die sich genau auf diese Weise umbrachten, wenn es ihnen an dem Willen mangelte, es direkt zu tun. Sie nahmen zu viele Pillen, während sie sich einredeten, es wäre alles in Ordnung. Sie tranken diesen nächsten Drink. Sie taten es halbherzig … gaben die Kontrolle ab, aber es war nicht ihre Schuld. Sie ließen einfach die Würfel rollen.
»Möchten Sie noch einen?«, erkundigte sich der Keeper.
»Nein«, erwiderte Gavin. »Zwei sind genug.«
Er stand auf und reckte sich. Dann ging er gemächlich zum Terminal 6.
Vierzig Minuten später bestieg er seinen Anschlussflug.
Er hatte nur wenig Gepäck mitgenommen. Drei Hemden, drei Hosen, drei Garnituren Unterwäsche zum Wechseln. Es war vernünftig, nicht zu viel mitzunehmen. Kleidung für drei Tage. Er versuchte nicht daran zu denken, dass er nur ein Hinflugticket hatte.
Das Flugzeug startete, und diesmal flogen sie ins Inland. Eine Stunde später blickte Gavin aus dem Fenster, und es wurde offenkundig, wie wenig besiedelt das Land war, obwohl man die Erzeugnisse der Menschen überall sah. Selbst aus dieser Höhe erkannte man Straßen, die wie Nazca-Linien die Wüste durchzogen. Und weiter im Osten war gelegentlich eine Farm, deren Felder wie Schachbretter aussahen. In der Ecke einer dieser ausgedehnten Ackerlandschaften stellte er sich ein Haus vor und in dem Haus einen
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