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Gottes geheime Schöpfung: Thriller (German Edition)

Gottes geheime Schöpfung: Thriller (German Edition)

Titel: Gottes geheime Schöpfung: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ted Kosmatka
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durch halb geschlossene Jalousien und bildeten ein Streifenmuster auf dem Boden. Obwohl dieser Raum architektonisch nahezu identisch mit Pauls eigenem Büro war, unterschied er sich so stark davon, wie sich zwei Räume nur unterscheiden können.
    Ein großer Stahlschreibtisch stand der Tür gegenüber. Dahinter befand sich eine Reihe von kleinen grauen Aktenschränken. An der gegenüberliegenden Wand standen Bücherregale, in denen sich keine Bücher, sondern endlose Reihen von gehefteten Manuskripten befanden. Es gab keinerlei Plakate an den Wänden und keine Briefbeschwerer auf dem Schreibtisch. Jegliche persönlichen Gegenstände, die normalerweise den Arbeitsbereich einer Person ausschmücken, fehlten hier. Der Computer war ebenfalls anders – es war eine vollkommen andere Maschine als die, die auf Pauls Schreibtisch stand. Dieses Gerät hier war offenbar dafür ausgelegt, als sollte es Codes knacken. Drei unterschiedlich große Flachbildmonitore waren um den breiten Desktop aufgebaut.
    Eine ganze Wand von Charles’ Büro wurde von einer Weißwandtafel eingenommen, die fast vom Boden bis zur Decke reichte. Ein kleiner Hocker davor erlaubte es Charles, jede noch so hohe Stelle der weißen Fläche zu erreichen. Und im Augenblick war die Tafel von einer gewaltigen Masse von uralten chemischen Formeln bedeckt sowie langen Reihen von nukleotiden Basenpaar-Sequenzen; Striche verbanden unterschiedliche Sequenzen. Paul begriff, warum es keine persönlichen Gegenstände in diesem Büro gab. Charles lebte hier, auf der Weißwandtafel. Das war der ultimative Ausdruck seiner Persönlichkeit.
    Paul öffnete den Schreibtisch und durchwühlte die Schubladen.
    Er hatte einen Plan für den Fall, dass er erwischt wurde. Er würde behaupten, dass er nach einem alten Ordner suchte, den er Charles mal gegeben hatte. Ein altes Datenset, dessen Kopien er verloren hatte. Das war zwar auf den ersten Blick betrachtet nicht vollkommen lächerlich, aber er bezweifelte, dass die Ausrede einer genaueren Prüfung standhalten würde.
    Paul riss eine andere Schublade auf. In ihr lagen Stifte, Papier und Büroklammern. Die Schublade darunter enthielt ebenfalls Schreibwaren und Handbücher, außerdem eine Dose mit Halspastillen und zehn Ausgaben von Microscopy Monthly. Die Schubladen noch weiter unten enthielten Papiere und Quittungen und sogar eine alte Kreditkartenrechnung auf Charles’ Namen.
    Als Nächstes untersuchte Paul die Aktenschränke und blätterte durch die sorgfältig geordneten braunen Mappen. Er fand Dokumentenvorlagen und Formulare für Datenanforderungen, die teilweise sieben Jahre alt waren. Alles war sorgfältig abgelegt. Dann fand er Kopien von Berichten, die noch weiter zurückreichten: Auftragsbestellungen, Ergebnisse von Vorlagen, die gesamten Aufzeichnungen von allem, was Charles jemals getan hatte. Oder von fast allem. Paul sah noch einmal nach. Die jüngste Akte, die den letzten Monat von Charles betraf, fehlte. Es gab keinerlei Aufzeichnungen darüber, woran Charles gearbeitet hatte, kurz bevor er verschwunden war.
    Paul schloss den Schrank und sah sich in dem Raum um. Er musste etwas übersehen haben. Er versuchte, sich an Charles’ Stelle zu versetzen, stellte jedoch fest, dass er das nicht konnte. Sich zu fragen: »Was würde ich tun, wenn ich Charles wäre?« war ein vollkommen vergebliches Unterfangen.
    Niemand war Charles.
    Paul hatte ihn niemals näher kennengelernt, aber man hörte Geschichten über ihn.
    Vermutlich die Hälfte der Mitarbeiter in den Labors waren Genies. Man musste einen IQ über 136 haben, um ein Genie zu sein. Charles war die Art von Genie, das andere Genies ein Genie nannten, wenn sie nicht über so etwas Definierbares wie eine Punktliste oder einen standardisierten Test redeten. Sein Gehirn funktionierte nicht wie das der anderen. Charles war anders.
    Paul wusste, dass er sich beeilen musste. Je länger er sich in dem Raum aufhielt, desto größer wurde die Gefahr, erwischt zu werden. Er starrte wieder auf die Tafel, diesmal genauer. In einer Ecke bemerkte er ein Kladogramm – ein ausladender Baum des Lebens mit verschiedenen Zweigen, die sich nach außen und oben erstreckten. An den Spitzen der Zweige befanden sich unterschiedliche Etikette: Krähe, Eule, Fink, Pinguin, Strauß usw., Dutzende von Namen. Diese Namen waren mit Linien verbunden, die zum Stamm des Baumes führten, bevor sie direkt unterhalb einer horizontal gepunkteten Linie zusammenliefen. Alles unterhalb dieser

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