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Gottes Gehirn

Gottes Gehirn

Titel: Gottes Gehirn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Johler , Olaf-Axel Burow
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Enttäuschung. Sie sieht mich zu selten.“
„Schade.“
„Ja, das ist es. Weißt du – ich habe es immer albern gefunden, wenn die Leute darüber klagten, wie schnell ihre Kinder groß werden. Aber seit ich selber Vater bin, weiß ich, dass sie Recht haben. Es geht wirklich verdammt schnell. Aber ich bin wohl ein Rabenvater. Mir waren immer andere Dinge wichtiger.“ Er wollte zum Fenster hinausschauen, aber er sah in der Scheibe nur Jane und sich. „Und du“, sagte er, „willst du kein Kind?“
Jane fuhr sich mit der Hand durchs Haar und wich seinem Blick aus. Die Frage schien sie mehr zu berühren, als er erwartet hatte. „Ich weiß nicht“, sagte sie. „Ich hab mir eigentlich nie eins gewünscht. Ich fand auch immer, dass andere Dinge wichtiger sind, aber als wir in Behrmans Blockhaus eingeschlossen waren, hab ich mich schon gefragt, was von mir bleibt, wenn ich dabei draufgehe.“
    „Zu Morris Jackson hast du gesagt, du hättest nur noch nicht den richtigen Mann gefunden.“
„Vielleicht habe ich Mr. Jackson nicht die ganze Wahrheit gesagt“, sagte Jane mit einem leichten Achselzucken. „Aber so viel ist sicher: Einen Rabenvater will ich für mein Kind nicht.“
„Klar“, sagte Troller. „Kann ich verstehen.“
Er war froh, dass der Kaffee kam, sodass er den Löffel nehmen, in der Tasse rühren und dabei nach unten schauen konnte. Jane hatte also doch einen Freund oder einen Mann, mit dem sie sich sogar vorstellen konnte, ein Kind zu bekommen. Ob Troller es wollte oder nicht, der Gedanke daran versetzte ihm einen Stich ins Herz. Es war zwar nicht so, dass er sich ernsthaft Hoffnungen auf sie zu machen wagte, aber was sollte er machen, er fühlte so. Er wollte sie, auch wenn die Vernunft ihm sagte, dass das ein ziemlich traumtänzerischer Wunsch war, und der einzige Trost, der ihm blieb, war, dass er sie hier im California Zephyr tatsächlich ganz für sich allein hatte.
„Was ist?“, fragte sie und nahm noch einmal seine Hand.
Komm, schlaf mit mir, dachte er, lass uns ein Kind machen, lass uns zusammenbleiben, bis dass der Tod uns scheidet. Das ist mein Ernst. Gib mir ’ne zweite Chance, und ich verspreche dir hoch und heilig, diesmal werde ich nicht wieder versagen, diesmal werde ich kein Rabenvater sein, ich weiß es, weil mir inzwischen einiges klar geworden ist.
„Was ist los mit dir?“, fragte sie noch einmal.
„Weißt du, was der Witz ist?“, sagte er und lachte. Es klang ein wenig bitter, dieses Lachen.
„Was ist der Witz?“
„Dass ich das, was ich für so wichtig gehalten habe, jetzt gar nicht mehr wichtig finde. Ich bin ein Rabenvater geworden, weil ich mich geirrt habe. Über mich und über die Wissenschaft.“ Sie ließ seine Hand los und goss sich nun auch etwas Milch in den Kaffee. „Inwiefern hast du dich geirrt?“
„Seit Jahren arbeite ich an einem Buch“, sagte er. „Und dieses Buch war etwas, wovon ich besessen war. Wirklich besessen. Ich habe geforscht und geforscht, gelesen und gelesen, ich habe die gesamte Geschichte des Wissens aufgearbeitet, von den Babyloniern über die Ägypter zu den Griechen und den Römern, von Augustinus über Meister Eckart zu Bacon und Descartes, von Newton über Kant bis Einstein und Foucault. Ich wollte nachweisen, dass es ursprünglich einmal eine Einheit des Wissens gegeben hat, dass sie im Laufe der Geschichte zerstört worden ist und dass es dringend nötig sei, sie wiederherzustellen.“
„Klingt nach dem üblichen Dreischritt“, sagte Jane. „Paradies – verlorenes Paradies – wiedergefundenes Paradies.“
„Genau so ist es. Und inzwischen weiß ich, dass es keine gute Idee war. Es wird das wiedergefundene Paradies nicht geben – und wenn, dann wäre es womöglich nicht das Paradies, sondern die Hölle.“
„Die Hölle, warum?“
„Stell dir doch nur mal vor, was passieren würde, wenn sie alle mit einer Sprache sprächen. Lansky verbindet seine intelligenten Roboter mit Jacksons gezüchteten Kreaturen, mit Marconis Mr. Pan und mit Turners Gottesprogramm. Ist das nicht eine grauenhafte Vorstellung? Für sich genommen sind sie vielleicht alle noch komische Käuze, aber wenn sie mit vereinter Kraft auftreten würden, dann gnade uns Gott. Ich glaube, wir können froh sein, dass sie immer noch miteinander um die richtige Interpretation der Welt konkurrieren, um ihre Bedeutung in der Scientific Community und natürlich auch um die Forschungsmittel. Nur dadurch, dass jeder ein anderes Paradigma hat, ein anderes Bild von der

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