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Gottes Gehirn

Gottes Gehirn

Titel: Gottes Gehirn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Johler , Olaf-Axel Burow
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Welt, behalten wir als Individuen noch unsere Freiheit.“
„Das ist das erste Plädoyer für die babylonische Sprachverwirrung, das ich je gehört habe.“
„Ja“, sagte Troller, „bevor wir auf unsere Reise gegangen sind, dachte ich, diese Sprachverwirrung wäre ein Übel, aber jetzt glaube ich wirklich, sie ist unsere Rettung. Findest du es nicht erschreckend, wie mächtig die Wissenschaft inzwischen geworden ist?“
„War sie das nicht immer? Der Mensch ist nun mal ein neugieriges Wesen.“
„Es hat Zeiten und Völker gegeben, in denen die Neugier begrenzt war. In denen es Tabus gab, heilige Bezirke, Dinge, die man nicht antasten durfte. Aber seit die Wissenschaft losgelassen wurde – das hat natürlich schon mit Bacon und Descartes begonnen –, gibt es nichts mehr, wovor sie zurückschreckt. Alles, was erforscht werden kann, wird erforscht. Und alles, was gemacht werden kann, wird gemacht.“
„Vielleicht sollte man da den Riegel vorschieben“, sagte Jane. „Dass man nicht alles machen darf, was man weiß.“
„Aber man weiß ja nur das, was man macht“, sagte Troller. „So ist unser Wissen, so ist unsere Wissenschaft strukturiert. Nur was man machen und wiederholen kann, nur was im Experiment überprüft werden kann, gilt als Wissen.“
„Dann bräuchten wir vielleicht ein elftes Gebot“, sagte Jane.
„Und wie sollte das lauten?“
„Du sollst nicht alles wissen!“
„Vielleicht bräuchten wir das wirklich, dieses elfte Gebot. Das Problem ist nur, dass die Wissenschaft immer janusköpfig ist, dass es immer zwei Seiten gibt, die destruktive und die fortschrittliche. Man erfindet neue Waffen und neue Instrumente, um den Menschen zu beherrschen, aber auch neue Medikamente, neue Energiequellen, neue Kommunikationsmittel.“
„Gut“, sagte Jane, „dann müsste man eben die Wissenschaft besser kontrollieren. Damit sie nicht hemmungslos alles machen kann. So was wie Jacksons gespenstische Kreaturen – oder Marconis Mr. Pan.“
„Und wer sollte die Wissenschaftler kontrollieren?“
„Na, du und ich, die Bürger, die Gesellschaft.“
„Klingt gut, aber das funktioniert doch nicht. Allein schon wegen der Informationen. Du siehst doch, was für Schwierigkeiten wir Journalisten schon haben, herauszubekommen, was eigentlich gemacht wird. Aber nehmen wir an, wir hätten alle Informationen, dann müssten wir sie bewerten. Woher sollten wir die Kriterien nehmen?“
„Da sind eben die Politiker gefordert.“
„Die Politiker?“ Troller machte eine abwehrende Geste. „Die wissen doch genauso wenig wie wir. Oder noch weniger. Die müssen schließlich auf allen Ebenen jonglieren, Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, die sind doch heillos überfordert. Außerdem – Jackson hat es doch auf den Punkt gebracht: Wenn in den USA das Klonen verboten wird, dann gehen die Leute nach Griechenland und machen es da. Oder White: Wenn man in den USA keine Köpfe transplantieren darf, dann geht man eben in die Ukraine, was soll’s? Nein, wenn die Politik wirksam eingreifen wollte, dann bräuchten wir eine koordinierte Weltpolitik, so wie es vor ein paar Tagen beim Schuldenerlass durch die Vermittlung der UNO möglich wurde.“
„Aber das heißt doch, dass wir der Wissenschaft hilflos ausgeliefert sind“, sagte Jane.
„So ist es“, sagte Troller. „Ich glaube, dass sich die gesellschaftlichen Gewichte in den letzten hundert Jahren verschoben haben. Im 19. Jahrhundert und auch noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gab es eindeutig ein Primat der Politik und sogar der politischen Ideologie. Es ging um äußere Expansion, um die politische Macht über andere Völker und Länder. Natürlich war politische Macht auch ökonomische Macht, aber – denken wir an Hitler und Stalin – es herrschte die Politik: In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts herrschte der Terror der Politik. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts dominierte dann die Ökonomie. Die Nationalstaaten waren der Globalisierung hilflos ausgeliefert, und kritische Stimmen sprachen sogar vom Terror der Ökonomie. Und nun . . .“
„Der Terror der Wissenschaft?“, fragte Jane. Sie hatte ihm gebannt zugehört, und er genoss ihre ungeteilte Aufmerksamkeit. Er hätte jetzt auch gern ihre Hand genommen, aber er traute sich nicht. Wieso fürchtete er sich davor, etwas zu tun, was sie sich ganz unbefangen erlaubte?
„Ob Terror, weiß ich nicht“, sagte er, „aber ich glaube, die Wissenschaft ist dabei, den Primat zu erringen. Weißt du,

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