Gottes Gehirn
will es Ihnen erklären“, sagte Rubinowitz ruhig. „Und ich nehme es Ihnen gar nicht übel, dass sie mich für einen Spinner halten, wenn ich vom Großen Träumer rede. Wir können nun einmal nicht aus unserer Haut. Die Einsichten, die Erkenntnisse, die Wahrheiten, die die Menschheit in früheren Zeiten geträumt, gesungen, gedichtet oder philosophiert haben, müssen heute in einer anderen Sprache und mit anderen Beweisgründen erzählt werden, auch wenn sie im Grunde dieselben sind. Träume und Eingebungen haben für uns keine Geltung mehr. Wir brauchen wissenschaftliche Beweise, um unseren Augen zu trauen. Mir geht es da nicht anders als Ihnen.“
„Dann erklären Sie es mir“, sagte Jane. „Wie kann so ein Gehirn die Welt verändern?“
„Also gut.“ Rubinowitz fasste sich an die Stirn, verharrte einen Augenblick regungslos und begann dann, im Raum auf und ab zu gehen. „Sie kennen sich ja sicherlich ein wenig in der Quantenphysik aus . . .“
„Ich kenne mich einen Scheißdreck darin aus“, sagte Jane zornig. „Aber wenn ich erst ein Physikstudium machen soll, um hinter das Geheimnis dieses Superhirns zu kommen, dann hat Adams oder wer auch immer inzwischen nicht bloß fünf oder sechs, sondern sechstausend Gehirne in seiner Schüssel.“
„Wenn es unsere Welt dann überhaupt noch gibt.“
„Ja“, sagte Jane. „Wenn es unsere verdammte Scheißwelt dann überhaupt noch gibt!“
Troller war mit einem Mal stutzig geworden. „Wollen Sie damit sagen, dass unsere ganze Welt bedroht ist?“
„Ich kann es nicht ausschließen“, sagte Rubinowitz.
„Und – wie kommen Sie darauf?“, fragte Troller ungläubig. Ein Hurrikan in New York oder ein Erdbeben in San Francisco waren eine Sache, schlimm genug – aber der Untergang der Welt?
„Sie kennen doch das EPR-Paradox“, sagte Rubinowitz.
Troller nickte.
Jane schaute ihn verzweifelt an.
„EPR steht für Einstein, Podolsky, Rosen“, sagte Rubinowitz. „Das Paradox besagt, dass anderswo stattfindende Ereignisse sinnvolle kausale Folgen für Ereignisse haben können, die hier und jetzt stattfinden.“
„Sie meinen, auf dem Mars findet etwas statt, was Konsequenzen auf der Erde hat, ohne dass wir wissen, wie es dazu kommt?“, fragte Jane. „Ohne kausale Verknüpfung?“
„Aber gilt dieses Paradox nicht nur für den Mikrokosmos“, sagte Troller. „Für die Welt der kleinsten Teilchen?“
„Ach, wissen Sie“, sagte Rubinowitz und winkte mit der Hand ab, „wir Physiker haben längst aufgehört, in der alten newtonschen Ordnung zu denken. Mechanik, Uhrmachergott, Kausalität – Schnee von vorgestern. Nur der Alltagsverstand hängt noch daran. Aber das kriegen wir auch noch hin.“
„Kommt, Leute“, sagte Jane, „was haben wir jetzt von diesem EPR-Dingsda. Was folgt daraus?“
„Ziemlich viel“, sagte Rubinowitz. „Sie müssen sich nur die Konsequenzen klar machen. Wenn zwei Dinge oder Ereignisse voneinander abhängen oder miteinander verknüpft sind, ohne dass es eine kausale Verbindung zwischen ihnen gibt, dann sind sie nicht an die Zeit gebunden. Kausal heißt: auf A folgt B. Akausal bedeutet: A und B können gleichzeitig auftreten.“
„Zufall“, sagte Jane. „Wenn ich hier niese und irgendjemand in Australien sagt Gesundheit, dann nenne ich das Zufall.“
„Der Schlüsselgedanke“, fuhr Rubinowitz fort, „ist die Wellenfunktion. Stellen Sie sich diese Wellenfunktion als eine Art Feld im Raum vor, das zwei oder mehrere Objekte miteinander verknüpft. Vergleichbar einem Gravitationsfeld oder einem elektromagnetischen Feld. Wobei es sich hier jedoch um ein Feld von Möglichkeiten handelt.“
„Möglich ist alles“, sagte Jane.
„Richtig“, sagte Rubinowitz. „Möglich ist eine ganze Menge. Wirklich dagegen ist immer nur eins. Und soll ich Ihnen verraten, wodurch aus der Fülle der Möglichkeiten die eine und einzige Wirklichkeit wird? Oder – um es in unserer physikalischen Terminologie zu sagen – wodurch die Wellenfunktion zusammenbricht und ein singulärer Zustand entsteht?“
„Lassen Sie mich raten“, sagte Jane. „Man greift einfach hinein ins Wellenbündel und holt sich eine Möglichkeit heraus. Wie ein Los aus dem Lostopf.“
„Bingo“, sagte Rubinowitz. „Nur dass dieses Hineingreifen nicht mit der Hand geschieht, sondern mit dem Geist. Es ist die Wahrnehmung, die Beobachtung, die Erkenntnis – die Begriffe wechseln, je nachdem, mit wem Sie es zu tun haben – , es ist das Bewusstsein, das aus der Fülle von
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