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Gottes Gehirn

Gottes Gehirn

Titel: Gottes Gehirn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Johler , Olaf-Axel Burow
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möglichen Zuständen einen singulären macht. Es ist, um es noch pointierter zu sagen, der Geist, der aus der Welt der Möglichkeiten die Wirklichkeit macht.“
„Berkeley“, sagte Troller. „Der Philosoph, nach dem Ihre Universität benannt ist, hat im Grunde dasselbe gesagt. Esse est percipi. Es gibt nichts außerhalb der Wahrnehmung, womit natürlich nicht die Wahrnehmung des einzelnen Individuums gemeint war, sondern die des Menschen überhaupt. Und letztlich war es für ihn der Geist Gottes, der die Existenz unserer Wirklichkeit garantierte.“
„Ob der Große Träumer der Aborigines oder Bischof Berkeleys wahrnehmender Geist Gottes“, sagte Rubinowitz, „das nimmt sich nicht viel.“
„Und Sie behaupten, die Quantenphysik sei zu demselben Ergebnis gekommen?“, fragte Jane ungläubig.
„Aber ja. Schon in der Heisenbergschen Unschärferelation spielt der Beobachtereffekt eine entscheidende Rolle. Das hat sich ja wohl inzwischen herumgesprochen.“
„War das die Sache mit Welle und Teilchen?“
„Nein, das war die Sache mit Energie und Lage. Sie können nicht beides zugleich erkennen. Wenn Sie die Energie eines Teilchens messen, bleibt die Lage unbestimmt, wenn Sie die Lage messen, bleibt die Energie unbestimmt. Daher Unschärferelation.“
„Aber“, sagte Troller, „in Ihrer Physik der Träume geht es doch um etwas anderes. Es geht, wenn ich Sie recht verstanden habe, darum, wie Materie zu Bewusstsein kommt – und wie aus Bewusstsein Materie entsteht.“
„Sehen Sie“, rief Rubinowitz triumphierend aus, „wie auch Sie noch dem kausalen Denken verhaftet sind? Meine Theorie ist ja gerade nicht das Nacheinander – erst Materie, dann Bewusstsein! Oder erst der Geist, und der erschafft sich die Materie. Nein. Meine Theorie ist: Die Materie träumt. Das ist der Traum des Großen Träumers! Der universelle Traum, die universelle Wellenfunktion. Und unsere Wirklichkeit ist nur ein Traum unter vielen. Wenn auch der wahrscheinlichste.“
„Mit der Wahrscheinlichkeit von hundert Prozent?“, fragte Jane.
„Da wäre ich mir nicht so sicher“, sagte Rubinowitz. „Aber um zu erklären, was ich meine, wenn ich vom Bewusstsein der Materie spreche, muss ich noch einmal auf die Quantenphysik zurückkommen: Es gibt gewisse Gesetzmäßigkeiten im Bereich der Heisenbergschen Unschärferelation, die uns dazu zwingen, eine quantenphysikalische Welle mathematisch als komplexe Zahlenfunktion darzustellen. Das bedeutet, sie besteht aus zwei Teilen: einem so genannten realen und einem imaginären Teil.“
„Sozusagen aus Wirklichkeit und Fantasie?“, fragte Jane.
„Keine schlechte Analogie“, sagte Rubinowitz. „Ich sehe es im Grunde genauso. Die beiden sind offenbar in viel stärkerem Maße miteinander verbunden, als wir gemeinhin denken. Sehen Sie, das Verwirrende – und zugleich Wunderbare – ist nämlich, dass wir, wenn wir eine numerische Wahrscheinlichkeitsfunktion errechnen wollen, die festlegt, wie wahrscheinlich das Auftreten eines bestimmten Ereignisses an einem bestimmten Ort und zu einem bestimmten Zeitpunkt ist – dass wir diese Welle dann mit einer anderen, ihr ähnlichen, multiplizieren müssen. Die sich allerdings in einem wesentlichen Punkt von ihr unterscheidet.“
„Und der wäre?“, fragte Troller.
„Sie läuft in der Zeit rückwärts“, sagte Rubinowitz.
„Sie meinen . . .“, sagte Jane und streckte beide Arme aus, um von dort, aus der Ferne, mit den Händen auf sich selbst zu zeigen.
„Ja“, sagte Rubinowitz.
„Wow. Die zweite Welle kommt also aus der Zukunft und bestimmt mit über die Gegenwart.“
„Aber“, fuhr Rubinowitz fort, „das Entscheidende für mich ist der Echoeffekt, also der Umstand, dass zwei Ereignisse nötig sind, damit tatsächlich eines stattfindet. Ein einziges Ereignis, mag es eintreten, wo es will, im Gehirn oder anderswo im Universum, stellt für das Bewusstsein noch kein Ereignis dar. Man braucht zwei. Oder andersherum: Bewusstsein als solches ist die Beziehung zwischen zwei Ereignissen. Je höher die Wahrscheinlichkeit, umso stärker das Bewusstsein. Und umgekehrt.“
    „Womit wir wieder beim Großen Träumer waren“, sagte Troller, „ohne Traum keine Wahrscheinlichkeitswelle, ohne Bewusstsein keine Wirklichkeit.“
    „Und je höher das Bewusstsein, desto wahrscheinlicher seine materielle Existenz.“
„Jetzt verstehe ich, worauf Sie hinauswollen“, sagte Jane. „Der Affe mit den zwei Gehirnen hatte ein höheres Bewusstsein. Wenn aber jetzt

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