Gottes Gehirn
gesehen.“
„Es kommt noch besser. White behauptet, es gäbe eine Maschine, die das Gehirn versorgt, während der Kopf vom kranken Körper getrennt und auf den gesunden transferiert wird. Er hat vor einiger Zeit einem querschnittgelähmten Freund angeboten, seinen Kopf auf den intakten Körper eines Hirntoten zu setzen. Man müsse nur die passende Körperspende finden.“
„Körperspende, Kopfverpflanzung?“, sagte Jane leicht angewidert. „Die schrecken auch vor nichts zurück.“
„White sagt, er kann auch Gehirne transplantieren.“
„Nein!“
„Doch. Es sei sogar leichter, da das Gehirn immunologisch privilegiert ist und nicht sofort abgestoßen wird. Das Problem ist offenbar nur die Sauerstoffversorgung in der Zeit, in der das Gehirn auf dem Weg von Kopf A zu Kopf B ist. Wenn jemand dieses Problem löst, ist die Sache ein Kinderspiel.“
„Und du meinst, jemand hat dieses Problem gelöst?“
„Warum nicht? White scheint jedenfalls seit Jahrzehnten daran zu arbeiten. Hier steht, dass er schon 1963 das Gehirn eines Rhesusaffen herauspräpariert und es mit einer Maschine am Leben erhalten hat. Sein Problem war allerdings, dass er nicht beweisen konnte, dass das Gehirn noch bei Bewusstsein war.“
„War dieser White eigentlich auch auf der Konferenz?“
„Nein.“
„Schade, wär ja auch zu schön gewesen.“
„Was ich nicht verstehe“, sagte Troller. „Eklund wird das Gehirn geraubt. Kranich stirbt, aber sein Gehirn ist noch da. Und Freeman verbrennt bei einem Autounfall. Das passt doch alles nicht zusammen.“
„Vielleicht fehlt uns nur das Missing Link.“
Die Kellner kam nun doch und brachte die Drinks.
„Und?“, machte Jane, als sie das Glas Jack Daniels in die Hand nahm.
Troller hielt sein Samuel-Adams-Glas in die Höhe. „Um ehrlich zu sein, ich war nicht gerade begeistert, als Bäumler darauf bestand, dass du bei dieser Sache mitmachst. Aber jetzt . . .“
„. . . bist du auf einmal hin und weg.“
„Na ja, jedenfalls hätte es schlimmer kommen können. Auf unsere Zusammenarbeit.“
„Auf die Syntopie“, sagte Jane und stieß mit ihm an. Es machte mehr Klack als Kling, aber es war trotzdem Musik in Trollers Ohren.
LANSKY
"Schmuckes Häuschen“, sagte Jane, als sie auf der Garageneinfahrt hielten. „Der Altmeister der künstlichen Intelligenz lebt in einem viktorianischen Holzhaus? Ich hätte eher ein futuristisches Hightech-Gebäude erwartet.“
„Die Welt ist eben voller Widersprüche“, sagte Troller. Er konnte sich immer noch nicht an Janes Anblick gewöhnen. Beim Frühstück hatte er sie kaum wieder erkannt. Es dauerte eine ganze Weile, bis er die lässig-elegant gekleidete Frau im roten Kostüm als Jane Anderson identifizierte. „Sieht toll aus“, hatte er bewundernd gesagt, und Jane hatte sich ladylike für das Kompliment bedankt.
„Soll wohl die Klingel sein.“ Sie zeigte auf einen Türklopfer aus Messing, der einen Löwenkopf darstellte, und ließ ihn zweimal gegen die Türfüllung schlagen.
Nichts passierte.
Troller gähnte und schaute auf die Uhr. Sechs Uhr. Morgens. Noch Pacific Time. Er zog den Knopf an der Uhr heraus und fing an, sie zu stellen. Hier an der Ostküste war es schon neun.
„Müde?“
„Geht schon.“
Jane schlug den Löwenkopf erneut gegen die Tür. Ein kaum vernehmbares Surren zog Trollers Blick nach oben. Über ihm bewegte sich ein als chinesischer Drachenkopf getarnter Schwenkarm, in dem vermutlich eine Überwachungskamera eingebaut war. Troller war drauf und dran, seinen Presseausweis in die Kamera zu halten, als sich wie von Geisterhand die Tür öffnete.
„Gehen wir?“ Zögernd folgte er Jane. Durch eine kleine Diele gelangten sie in ein großes Wohnzimmer. Wie gebannt blieben sie stehen. Lanskys Wohnhalle war von oben bis unten voll gestopft. Überall standen Regale, die mit Büchern und anderen Dingen überladen waren. Schon ein oberflächlicher Blick verriet, dass Lanskys Bibliothek alle möglichen Gebiete umfasste. Zwischen philosophischen Grundlagenwerken fanden sich Montageanleitungen für Hauptplatinen, wissenschaftliche Wälzer, Kochbücher oder psychologische Ratgeber, zwischen Romanen aus allen Zeiten und Ländern musikwissenschaftliche Werke, Lexika, Biografien oder Reiseführer. Vor den Büchern standen Marmeladen- und Einweckgläser, in denen Lansky irgendwelchen Krimskrams aufbewahrte, Gummiringe, Muscheln, Computerbauteile, Hosenknöpfe, Gummibärchen, Fossilien, Mineralien und sogar Sandproben diverser Strände. Und da
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