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Gottes kleiner Finger - [Thriller]

Gottes kleiner Finger - [Thriller]

Titel: Gottes kleiner Finger - [Thriller] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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nicht helfen. Also stiegen bei Ankunft des Frühlings von den Bergen viertausend bis an die Zähne bewaffnete Männer aus den Dörfern herab. Sie brannten die Häuser von Dandar Kili nieder und töteten die Haustiere.
    Lauri wusste noch, wie die Ruinen des Dorfes im darauffolgenden Sommer ausgesehen hatten. Kein einziges Haus war mehr übrig, kein Stein lag mehr auf dem anderen, auch kein einziges Wirtschaftsgebäude war erhalten. In diesem Moment hatten die Taliban das Feuer eröffnet, und der ganze Berg hatte Stahl gegen sie gespien. Alice war an der Stirn verwundet worden, was eine bleibende Narbe in ihrem Gesicht hinterlassen hatte.
    Das Schlimme an Kriegen ist, dass es immer viel leichter ist, einen Krieg zu beginnen als ihn zu beenden, dachte Lauri. Kriege haben die unangenehme, aber regelmäßige Gewohnheit, einem zu entgleiten und ein Eigenleben zu entwickeln.
    Wir sind es gewohnt zu denken, wir könnten alle möglichen Situationen, mit denen wir konfrontiert sind, meistern, indem wir rohe Gewalt anwenden, dachte Lauri. Aber war das letzten Endes eine gute Art zu handeln, selbst wenn man es mit rücksichtslosen Terroristen zu tun hatte?
    Auch dann, wenn die von ihnen getöteten Menschen unbestreitbar Mitglieder einer Terrororganisation gewesen waren, hatten sie den schlimmsten Fanatikern damit praktisch jedes Mal in die Hände gespielt. Die islamischen Gesellschaften waren in der Regel nicht so zersplittert und atomisiert wie die westlichen Länder. Jeder Mensch dort kannte viel mehr Menschen als ein Mitteleuropäer oder Nordamerikaner. Nicht nur Hunderte, sondern Tausende. Alle waren durch die erweiterte Familie, religiöse Organisationen und zahlreiche andere Institutionen mit unzähligen Banden fest in ihre Gemeinschaft eingebunden.
    Immer wenn die Truppen jemanden getötet hatten, trauerten Tausende von Verwandten, Freunden und Verwandten der Freunde um ihn. Und Trauernde schätzen es niemals, dass ein von ihnen geliebter Mensch getötet worden ist. Sie werden verbittert und wenden sich gegen die Mörder. Ein Teil von ihnen beginnt Terrororganisationen zu unterstützen, und immer wieder einmal wird jemand selbst Terrorist. Eine Mutter hört niemals auf, um ihren Sohn, eine Frau um ihren Mann, ein Sohn um seinen Vater zu trauern, auch wenn man ihm sagen würde, hey, jetzt heulst ganz unnötigerweise, er war doch ein Terrorist. Don’t worry, be happy. Have a Coke and a smile. Zero Trouble, zero calories.
    Lauri schrak aus seinen Gedanken auf.
    »Verzeihung«, sagte Lauri.
    »Du warst wohl gerade ganz woanders«, bemerkte Janet.
    »So könnte man sagen. Mir ist gerade eine Geschichte aus Afghanistan eingefallen.«
    Janet runzelte die Brauen.
    »Du bist dort gewesen?«
    »Ja.«
    »Was meinst du, war es vernünftig, dorthin zu gehen?«
    Lauri lachte hohl und schüttelte den Kopf.
    »Alles andere als das.«
    Janet zögerte. Lauri sah, dass sie darüber anderer Ansicht war.
    »Was hätte Bush anderes tun können?«, fragte Janet.
    Lauri lächelte bitter.
    Ja, in solchen Situationen gab es niemals eine Alternative. Ein Staatsoberhaupt, das keine Kriege führen konnte, war wie ein Mann ohne Eier. Alternativen gab es nicht, zumindest dann nicht, wenn alle Vorschläge und Informationen, die eine Alternative betrafen, schon beim Händeschütteln sorgfältig aus der Situationsanalyse herausgefiltert wurden.
    Kurz nach Beginn der Bombardierungen in Afghanistan hatten sich tausend pakistanische und afghanische Stammesführer der Paschtunen zur Großen Jirga in Peschawar in der Nordwestprovinz Pakistans getroffen. Die Paschtunenführer hatten versprochen, Osama bin Laden und seine tausendzweihundert arabischen Afghanen und Usbeken gefangen zu nehmen, tot oder lebendig, falls die Bombardierungen eingestellt würden. Die Paschtunen hätten also Osama bin Ladens Kopf den Vereinigten Staaten auf silbernem Tablett und umsonst überreicht. Um übermäßiges Blutvergießen zu vermeiden, ohne Rücksicht auf Pashtunwali und Nanawateh.
    Lauri hatte intensiv an die militärische Führung der Vereinigten Staaten appelliert, den Vorschlag der paschtunischen Stämme ernst zu nehmen. Viele Generäle hatten ihn unterstützt, aber der Präsident hatte sich darüber hinweggesetzt. Der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika konnte doch nicht mit ein paar exotischen Stammesführern verhandeln. Wie hätte das denn in den Augen der Welt ausgesehen?
    Und so waren die größten Heroinhändler der Welt plötzlich strategische

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