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Gottes Werk und Teufels Beitrag

Gottes Werk und Teufels Beitrag

Titel: Gottes Werk und Teufels Beitrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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sagte, minimal. Sie sei entzückt, daß ihr Sohn »so männliche und ehrenhafte Gesellschaft« über den Sommer habe, und sie wolle sehr gern das wenige, was sie vermochte, zum Wohle der Waisen von St. Cloud’s beitragen. »Die Kinder«, sagte Olive (so bezeichnete sie Wally und Candy), »sagen mir, daß Sie dort große Dinge verrichten. Sie sind so froh, zufällig über Sie gestolpert zu sein.«
    Olive Worthington hatte offensichtlich keine Ahnung, daß sie ihre Apfelbäume von einem erfahrenen Geburtshelfer pflegen ließ, und Wilbur Larch brummte etwas von »strenger Ausbildung« vor sich hin, die an Homer Wells – angesichts seiner gegenwärtigen Beschäftigung – verschwendet worden sei, aber Dr. Larch beruhigte sich schließlich und schrieb einen herzlichen, wenn auch förmlichen Brief als Antwort an Mrs. Worthington.
    Ihre Spende werde sehr dankbar entgegengenommen, und er sei froh, daß Homer seine Erziehung in St. Cloud’s so positiv darstelle – er erwarte auch nichts anderes von dem Jungen, und Mrs. Worthington möge so freundlich sein, ihm das auszurichten. Auch daß es schön wäre, wenn Homer schreiben wollte. Dr. Larch sei glücklich, daß es eine so gesunde Sommerbeschäftigung für Homer gebe; der Junge werde vermißt in St. Cloud’s, wo er sich stets nützlich gemacht habe, doch unterstrich Larch seine Freude über Homers Glück. Er gratulierte Olive Worthington zu den guten Manieren und der Großzügigkeit ihres Sohnes; er sagte, jene »Kinder« wären ihm stets willkommen in St. Cloud’s – jederzeit. Welch ein Glück – für alle! –, daß sie zufällig über das Waisenhaus »gestolpert« wären.
    Wilbur Larch knirschte mit den Zähnen und versuchte sich einen Ort vorzustellen, wo man härter stolpern konnte als in St. Cloud’s; er riß sich zusammen und schaffte es, mit dem Teil des Briefes fortzufahren, den zu schreiben er länger als einen Monat gewartet hatte.
    »Es gibt da etwas, was ich Ihnen in bezug auf Homer Wells sagen muß«, schrieb Wilbur Larch. »Er hat einen kleinen Herzfehler«, schrieb der Arzt; er holte weit aus. Er ging behutsamer vor als damals im Gespräch mit Wally und Candy; er versuchte, so deutlich und dabei so ausweichend zu sein, wie er schließlich, das wußte er, würde sein müssen, wenn er Homer Wells sein Leiden schilderte. Sein Brief an Olive Worthington über Homers Herz war eine Art Aufwärmübung. Er säte die Saat (eine aufreizende Floskel, aber sie kam ihm unwillkürlich in den Sinn – seit er die Kataloge vom Bahnhofsvorsteher geerbt hatte); er wollte, daß Homer mit Samthandschuhen angefaßt würde, wie man in Maine sagt.
    Olive Worthington hatte erwähnt, daß Homer Fahrstunden bei Wally und Schwimmlektionen bei Candy nahm – letztere im geheizten Becken des Haven-Club. Letzteres – Schwimmlektionen bei diesem Mädchen! – entlockte Wilbur Larch ein Knurren, und er schloß seine mahnende Mitteilung wegen Homers Herzen mit der Empfehlung, daß Homer »es beim Schwimmen gemächlich angehen« solle.
    Dr. Larch teilte Olive Worthingtons Meinung nicht, daß »jeder Junge Auto fahren und schwimmen können sollte«; Dr. Larch konnte keines von beiden.
    »Hier in St. Cloud’s«, schrieb er an sich selbst, »ist es erforderlich, über gute geburtshilfliche Techniken zu verfügen und eine Dilatation und Kürettage ausführen zu können. In anderen Teilen der Welt lernt man Auto fahren und schwimmen!«
    Er zeigte Schwester Angela und Schwester Edna Olive Worthingtons Brief, die beide Tränen darüber vergossen. Sie waren der Meinung, daß Mrs. Worthington sich »bezaubernd« und »warmherzig« und »intelligent« anhöre, doch Larch murrte, wie seltsam es doch sei, daß Mister Worthington so wenig ins Bild komme; was war los mit ihm? »Wieso führt seine Frau die Farm?« fragte Larch seine Krankenschwestern, die ihn beide tadelten, weil er so bereitwillig annahm, daß etwas nicht in Ordnung sei, wann immer eine Frau die Verantwortung trage. Sie erinnerten ihn an seine Verabredung mit Melony.
    Melony hatte sich für ihre Begegnung mit Dr. Larch in die richtige Verfassung hineingesteigert. Sie bereitete sich vor, indem sie im Bett lag und immer wieder die Widmung las, die sie in das gestohlene Exemplar von Klein Dorrit geschrieben hatte:
Für Homer »Sonnenstrahl« Wells
    für das Versprechen, 
    das du mir gegeben hast
    in Liebe – Melony 
    Dann versuchte sie immer wieder, unter wütenden Tränen, das Buch anzufangen.
    Die Vorstellung einer

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