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Gottes Werk und Teufels Beitrag

Gottes Werk und Teufels Beitrag

Titel: Gottes Werk und Teufels Beitrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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durchhalten, wenn du so weitermachst«, sagte Schwester Caroline.
    »Richtig«, sagte Homer.
    Dr. Harlow fand sie alle in der Apotheke; nur Candy sah schuldbewußt drein, und darum starrte er sie an.
    »Was wollten diese beiden Experten Ihnen erzählen?« fragte Dr. Harlow. Er schaute Candy lange an, während er dachte, daß niemand ihn sah, aber Homer Wells sah ihn, und Schwester Caroline war sehr empfänglich für die Sehnsüchte, die andere Frauen weckten. Candys Zunge blieb wie gelähmt, was sie noch schuldbewußter aussehen ließ, und Dr. Harlow wandte sich an Schwester Caroline. »Sind Sie die Hysterikerin losgeworden?« fragte er sie.
    »Kein Problem«, sagte Schwester Caroline.
    »Ich weiß, daß Sie es mißbilligen«, sagte Dr. Harlow zu ihr, »aber Regeln gibt es aus guten Gründen.«
    »Regeln gibt es aus guten Gründen«, wiederholte Homer Wells unwillkürlich; es war eine so blöde Redensart, daß er sich gezwungen fühlte, sie zu wiederholen. Dr. Harlow starrte ihn an.
    »Zweifellos bist du auch ein Abtreibungsexperte, Wells«, sagte Dr. Harlow.
    »Es ist nicht sehr schwer, ein Abtreibungsexperte zu sein«, sagte Homer Wells. »Es ist ziemlich einfach zu machen.«
    »Findest du?« fragte Dr. Harlow aggressiv.
    »Nun, was weiß ich?« sagte Homer Wells schulterzukkend.
    »Ja, was weißt du?« sagte Dr. Harlow.
    »Nicht viel«, sagte Schwester Caroline barsch, was sogar Dr. Harlows Beifall fand. Sogar Candy lächelte. Homer Wells lächelte ebenfalls einfältig. Siehst du? Ich werde klüger! Das war es, was er Schwester Caroline zulächelte, die ihn so herablassend behandelte wie sonst nur Hilfspfleger. Dr. Harlow schien zu finden, daß die von ihm verehrte Hackordnung mit der Ehrerbietung eingehalten wurde, die für sie alle zwingend vorgeschrieben war. Eine Art Zuckerguß, bestehend aus Rechtschaffenheit und Adrenalin, überzog sein Gesicht. Homer Wells mußte innerlich lachen bei der Vorstellung, wie man Dr. Harlow wachrütteln und ihn demütigen könnte. Mr. Roses Messerkunst könnte eine solche Wirkung auf ihn haben – Homer stellte sich vor, wie Mr. Rose Dr. Harlow mit seinem Messer entkleidete; alle Kleidungsstücke würden sich um die Knöchel des Arztes aufhäufen, in Fetzen und Streifen, und doch würde es auf dem nackten Körper des Doktors keinen Kratzer geben. 
     
    Einen Monat, nachdem Wallys Flugzeug abgeschossen worden war, hörten sie von der Besatzung der Die Chance klopft an.
    »Wir waren auf halbem Weg nach China«, schrieb der Kopilot, »als die Nipponsöhne ein paar gemeine Treffer landeten. Hauptmann Worthington befahl der Besatzung abzuspringen.«
    Der Bordkommandant und der Funker sprangen kurz hintereinander; der Kopilot sprang als dritter. Das Dschungeldach war so dicht, daß der erste Mann, als er hindurchkrachte, die anderen Fallschirme nicht sehen konnte. Der Dschungel selbst war so dicht, daß die Besatzungsmitglieder einander suchen mußten – den Funker fanden sie erst nach sieben Stunden. Der Regen war so stark – er machte ein solches Getöse auf den breiten Palmblättern – daß keiner der Männer das Flugzeug explodieren hörte. Die Atmosphäre war so reich an eigenen Düften, daß der Geruch des brennenden Benzins und der Qualm des Feuers sie niemals erreichten. Sie fragten sich, ob das Flugzeug sich nicht wie durch ein Wunder wieder gefangen habe und weitergeflogen sei. Wenn sie hinaufschauten, sahen sie nicht durch die Baumwipfel (die allenthalben von leuchtendgrünen Tauben funkelten).
    Binnen sieben Stunden zog sich der Bordkommandant dreizehn Blutegel verschiedener Größen zu – die der Funker umsichtig entfernte. Der Bordkommandant pflückte fünfzehn Egel von dem Funker ab. Wie sie herausfanden, war es die beste Methode, um Blutegel zu entfernen, wenn man das hintere Ende mit einer glimmenden Zigarette berührte; auf diese Weise lösten sie den Kontakt mit dem Fleisch. Wenn man nur an ihnen zog, rissen sie ab; ihre starken Saugmäuler aber blieben fest sitzen.
    Der Funker und der Bordkommandant aßen fünf Tage lang nichts. Wenn es regnete – was es die meiste Zeit tat –, tranken sie das Regenwasser, das sich in Pfützen in den großen Palmblättern sammelte. Sie fürchteten sich, das andere Wasser zu trinken, auf das sie stießen. In manchen der Wasserstellen glaubten sie Krokodile zu sehen. Weil der Funker sich vor Schlangen fürchtete, zeigte der Bordkommandant nicht auf die Schlangen, die er sah; der Bordkommandant fürchtete sich vor Tigern, und

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