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Gottesdienst

Titel: Gottesdienst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Gardiner
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bereits getan.«
    Und dann traf es mich wie ein Schlag in die Nieren. Ich hatte es die ganze Zeit direkt vor der Nase gehabt. Inkubationszeiten, Krankheitsraten, Ausbrüche und Epidemien.
    Ich sprach es aus: »Tollwut.«

19. Kapitel
    Konnte es sein, dass Neil Jorgensen absichtlich mit Tollwut infiziert worden war? Wenn ja, konnte das heißen, dass hinter der Coydog-Attacke in China Lake der gleiche Vorsatz steckte – und dass das Tier nicht Abbie angreifen sollte, sondern mich. Die Tatsache, dass es sich um einen domestizierten Coydog handelte, verlieh dem Ganzen eine noch finsterere Note. Kurz vor seinem Tod war er mit handelsüblichem Hundefutter verköstigt worden, was bedeutete, dass er selbst in diesem tollwütigen Zustand noch unter menschlicher Kontrolle gestanden haben musste. War das möglich? Ich dachte an die Nacht vor dem Lobo zurück: Ich war zu meinem Auto zurückgegangen, hatte es mit Obszönitäten vollgesprüht vorgefunden und beobachtet, wie ein Wagen davonraste. Ich hatte den Fahrer für den Täter gehalten. Aber vielleicht hatte er mehr hinterlassen als nur Farbe.
    Mein Vater war skeptisch. Auf der Liste der vom Militär als gefährlich eingeschätzten chemisch-biologischen Kampfstoffe – etwa die Erreger von Beulenpest und Pocken, von Maul- und Klauenseuche oder Weizenrostpilze – befand sich die Tollwut nicht besonders weit vorne. Tollwut breitete sich langsam aus und war nicht so leicht übertragbar.
    »Um einen biologischen Kampfstoff als Waffe einzusetzen, braucht man ein effektives Verbreitungssystem, eines, das das Gift in sprühfähige Form bringt.« Trocken fügte er hinzu: »Coyoten passen da nicht ganz ins Anforderungsprofil.«
    Andererseits war Tollwut einer jener Krankheitsserreger, die weit in der Natur verbreitet waren, wandte ich ein. Die Krankheit fand sich unter Kaliforniens Wildtieren, weshalb Eltern ihren Kindern hier beibrachten, Waschbären und Opossums nicht zu streicheln. Ein infiziertes Tier zu fangen, erforderte keine wissenschaftliche Ausbildung, man brauchte einfach nur Geduld. Gleiches galt für ein Gehege mit tollwutinfizierten Tieren. »Wir sprechen hier nicht von irgendwelchen Schurkenstaaten, die ihre Raketen mit dem Erreger füllen wollen, sondern von Leuten, die es nicht abwarten können, andere Menschen loszuwerden, die sie für unrein halten.« Wir sprachen von Leuten, die sich nach Dosenfleisch, Chips und dem Tag des Jüngsten Gerichts sehnten.
    Er war immer noch nicht überzeugt.
    »Okay, dann nennen wir es eben nicht Bioterrorismus, sondern Biomord«, schlug ich vor. Tollwuterreger mochten kein sehr effizienter Kampfstoff sein. Tödlich waren sie trotzdem.
    »Du brauchst einfach mehr Beweise«, sagte er.
    Nachdem ich aufgelegt hatte, ließ ich Luke in den Wagen steigen. Wir hatten noch genug Zeit bis zur Verabredung mit Jesse, also fuhren wir in die Stadt zum Gebäude der News-Press. Die Weiden auf dem Vorplatz wiegten sich im Wind, die Sonne schien warm auf das rote Ziegeldach und ließ die Adobe-Wände kalkweiß leuchten. Sally Shimada empfing uns in einem korallenroten Zweiteiler, der ihr glänzend schwarzes Haar perfekt zur Geltung brachte.
    »Sie müssen gekommen sein, um mir den Gefallen zu tun, den Sie mir noch schulden.« Sie lächelte Luke an. »Hallo, junger Mann.«
    Er drängte sich an mich. »Hallo.«
    »Hat Ihr Bruder dem Interview zugestimmt?«, fragte sie.
    »Nein, aber ich habe ein paar Neuigkeiten für Sie, bei denen sich Ihnen die Haare sträuben werden. Kommt natürlich drauf an, was Sie über Jorgensens Tod rausgefunden haben.«
    Sie versuchte sich verärgert zu geben, aber das hielt sie nicht lange durch. »Es wird die Titelgeschichte.« Sie blickte sich zur Empfangsdame um und griff dann nach meinem Arm. »Lassen Sie uns rausgehen.«
    Wir saßen auf einer Parkbank, und Luke kickte einen Fußball über den Rasen.
    »Jorgensen hat sich die Tollwut von einer Fledermaus geholt«, erklärte sie. »Die Analyse der Virenproben deutete auf einen Erregerstamm hin, der von Fledermäusen übertragen wird. Aber es wird noch besser. Das Gruselige an Fledermäusen ist, dass sie dich beißen können, ohne dass du es merkst. Ehrlich. Sie sind nahezu geräuschlos, und ihr Biss hinterlässt kaum Spuren. Sie knabbern an dir, während du schläfst und du wachst nicht mal davon auf.«
    »Das ist ja -«
    »Widerlich. Die typische Vorgehensweise in solchen Fällen ist, dass Lieschen Müller in die Notaufnahme kommt, weil sie halluziniert und

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