Gottesdienst
breite Türöffnungen und natürlich keine Treppen. Eine Wand von Pinienbäumen schirmte es von der Straße ab. Als ich reinkam, arbeitete er am Küchentisch, bernsteinfarbenes Licht spiegelte seinen Umriss in den vielen Fenstern. Aus der Stereoanlage drang irgendwas von Steppenwolf. Er hörte auf zu tippen, als ich ihm erzählte, dass ich Luke aus der Stadt schaffen wollte. Harte Linien säumten seine Augen. Wir starrten aneinander vorbei, zu angespannt, um uns zu berühren.
Ich schaute nach Luke, der schon lange tief und fest schlief, und ging danach selbst zu Bett. Im Dunkeln lag ich wach, lauschte den Wellen, die sich am Strand brachen, und beobachtete die Schatten, die über die Zimmerdecke wanderten. Die Pinien bogen sich fauchend im Wind.
Spionin. Kein Zweifel, die Standhaften wollten mir Angst einjagen, damit ich nicht mit der Presse redete. Obwohl sie ansonsten nichts gegen Medienberichte – ob gut oder schlecht – einzuwenden hatten. Es musste etwas mit Jorgensen zu tun haben. Offenbar wollten sie nicht, dass jemand seine Verbindung zu ihnen untersuchte. Beim Gottesdienst hatte er gedroht, dass er alles erzählen würde. Aber das hatte er nicht getan. Er war nicht mehr dazu gekommen. Und ich erinnerte mich an Isaiah Paxton, der vom Unfallort davonschlenderte wie ein Mann, dessen gesammelte Probleme sich gerade gelöst hatten.
Eine Stunde später legte sich Jesse endlich zu mir. Er zog sich aus, ließ sich erschöpft ins Bett fallen und fuhr sich mit den Fingern durch das Haar. Ich legte ihm eine Hand auf die Brust.
»Die Chaostheorie hat sicher irgendwelche Erklärungen für diese Zeiten parat«, sagte er. »Erst geht es dir gut, und dann erwischt es dich, bumm, aus heiterem Himmel.«
»Chaos, ist das deine Bezeichnung für Gott?«
Sein Lachen klang bitter in der Dunkelheit. »Ursache und Wirkung, die Herren des Zufalls.«
In mir keimte ein Verdacht. »Ich glaube nicht, dass die Probleme, die uns die Standhaften bereiten, zufälliger Natur sind. Ich glaube vielmehr, sie haben einen Plan.«
Er erstarrte. »Du glaubst also nicht, dass es Zufall ist, dass Tabitha genau jetzt auftaucht?«
»Nein. Was auch immer sie vorhaben, sie ist Teil dieses Plans. Genau wie Luke.« Ich stützte mich auf einen Ellenbogen. »Bei der Signierstunde hat Chenille etwas gesagt – dass er was Besonderes sei, kostbarer, als ich je verstehen könne. Jesse, sie hat ihn nie kennengelernt, aber sie redet von ihm, als ob die Standhaften einen Anspruch auf ihn hätten.«
Draußen nagten die Wellen rhythmisch am Strand.
»Mach dich morgen besser früh auf den Weg«, sagte er.
Für einen Moment fühlte ich mich völlig leer. Dann legte er seine Arme um mich und hob mich auf sich. Mein Gesicht in den Händen haltend zog er mich zu seinem Mund. Ich schloss die Augen, spürte die Hitze seiner Haut und sehnte mich nach mehr. Nach einem festen Kuss fuhr ich mit den Lippen an seinem Kinn entlang über seinen Nacken und seine Brust, neckte ihn und fühlte seine zarte Haut unter meinen Lippen. Meine Finger glitten über seine Rippen und seine Arme. Ich nahm seine Hand, küsste sein Handgelenk und liebkoste eine Fingerspitze nach der anderen mit meinem Mund. Er sog scharf den Atem ein, und seine Finger gruben sich in meinen Rücken.
Es war ein Tanz, dessen Choreografie wir im Angesicht der unabänderlichen Tatsachen erst hatten herausfinden müssen. Er hatte einen Wirbelsäulenschaden, konnte sich nur begrenzt bewegen und hatte wenig Gefühl in seinen Beinen. Er brauchte sehr viel Stimulation, bis er eine Erektion bekommen konnte. Also hatten wir uns von alten Erwartungen verabschieden und etwas Neues finden müssen. Sehr zu meiner Freude war er ein furchtloser und einfallsreicher Liebhaber. Sein Körper war genau richtig für mich, geschmeidig und schlank, braungebrannt vom vielen Schwimmen. In seinen Armen konnte ich alles vergessen – und das war genau das, was ich jetzt brauchte. Er schob das seidene Nachthemd über meinen Kopf, bog sich mir entgegen und küsste meine Brüste und meinen Bauch. Sein Bart streifte mich leicht, und ich stöhnte. Er griff sich meine Beine und brachte mich in die richtige Position. Das Betttuch verfing sich zwischen uns. Ich warf es beiseite.
Wir liebten uns in stillem Verlangen. Danach hielten wir uns wortlos in den Armen. Es war meine letzte Nacht im sicheren Hafen.
Der Morgen begann im roten Schein der Sonne, der Pazifik erstreckte sich ruhig vor uns bis zum Horizont. Luke war begeistert
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