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Gottesdienst

Titel: Gottesdienst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Gardiner
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nötig.«
    Irgendwie hatte ich gewusst, dass sie mich nicht im Stich lassen würden.
     
    Die Posten vor Brians Haus entpuppten sich als Shiloh und Glory. Die Gegensätze hätten nicht größer sein können. Shiloh, die bibelzitierende Zuchtmeisterin, trug ein Plakat, auf dem MORD stand. Glory, in ihrem verruchten Lara-Croft-Militärlook, posierte mit dem Wort MÄRTYRER. Sie gaben ein ungewöhnliches Pärchen ab, aber die Standhaften schienen ja nie allein in der Öffentlichkeit aufzutreten. In ihrem Glauben um Peter Wyoming scharten sie sich wie Ferkel um die mütterliche Zitze. Ich fragte mich, was nun aus ihnen werden würde.
    Ich parkte vor Brians Haus. Als sie mich kommen sahen, verkrampfte sich Glory sichtlich. Shiloh kniff die Lippen zusammen und straffte sich.
    »Dieser Bürgersteig ist öffentliches Eigentum. Sie können uns nicht zum Verstummen bringen.«
    »Meinetwegen könnt ihr hier demonstrieren, so viel ihr wollt. Ich bin auf der Suche nach Chenille Wyoming.«
    »Wir haben keine Angst vor Ihnen.«
    »Schon okay. Jetzt sei mal nicht so dramatisch.«
    Aber ihre Knöchel, die das Schild mit dem Plakat umklammerten, waren weiß vor Anspannung. Glory biss sich auf die Lippen und blinzelte schnell wie ein Kolibri. Sie hatten tatsächlich Angst vor mir. Auch ihre Trauer und ihre Ratlosigkeit waren echt. Plötzlich kam ich mir ziemlich herzlos vor.
    »Mein Beileid für Reverend Wyoming.«
    »Ja, klar.« Shiloh reckte trotzig das Kinn vor, aber sie zitterte. Glorys Schultern bebten, Tränen lösten sich und glitten über die Narbe in ihrem linken Augenwinkel.
    »Ich muss mit Chenille Wyoming sprechen«, wiederholte ich.
    »Sie ist in Angel’s Landing«, antwortete Shiloh. Als ich fragend den Kopf neigte, fügte sie hinzu: »Das ist das spirituelle Zentrum unserer Kirche auf dem Land.«
    »Wie komme ich da hin?«
    Volle dreißig Sekunden lang starrte sie mich an und fummelte an ihrem Zopf herum. Vielleicht versuchte sie ihren ganzen Mut zusammenzunehmen, vielleicht wollte sie rausfinden, ob ich wirklich ein Mensch aus Fleisch und Blut war oder bloß eine Geistererscheinung. Schließlich legte sie ihr Protestschild auf den Rasen. »Steigen Sie in Ihr Auto, wir bringen Sie hin.«
    Wir fuhren aus der Stadt Richtung Süden in die offene Wüste und bogen schließlich vom Highway ab auf eine Schotterpiste. Die Landschaft wurde immer bergiger, bis wir zu guter Letzt einen Hügel überquerten und bergab auf eine sandige Lichtung zusteuerten, auf der eine Menge Pickups, Wohnwagen und eine baufällige Hütte standen.
    »Das soll es sein?«, fragte ich. Meine Beifahrerinnen gaben keine Antwort.
    Es sah aus wie die Billigversion eines Konzentrationslagers. Notdürftig verlegte Stromleitungen hingen von Masten herunter, und in einer klapprigen Scheune waren von Vogelkot gesprenkelte alte Fahrzeuge aufgebockt. Im Gebälk erkannte ich die dunklen Umrisse von Vogelnestern.
    Eine Hand klopfte gegen mein Wagenfenster. Ich erschrak. Neben dem Wagen stand Isaiah Paxton. Über seinem harten Gesicht lag ein Schatten.
    »Stellen Sie den Motor ab und steigen Sie aus.«
    Als ich ausstieg, schlug mir der heiße Wind ins Gesicht, und eine Steppenhexe wehte vorbei. Obwohl auf dem Gelände so gut wie keine Menschen zu sehen waren, hatte ich das beunruhigende Gefühl, beobachtet zu werden. Vor der Eingangstür zur Hütte hielt Curt Smollek Wache, in einer Hand ein Gewehr, die andere beschäftigt mit einem Eiterpickel in seinem Gesicht. Er musterte mich durch seine Finger. Neben ihm kroch ein blauäugiger Hund aus dem Schatten des Gebäudes. Seine Kette rasselte. Auch er fixierte mich hechelnd.
    »Mrs. Wyoming wird Sie in Kürze empfangen«, sagte Paxton.
    Er rief Shiloh zu sich und übergab ihr einen Apparat, eine Art tragbares Strichcode-Lesegerät, wie es in Supermärkten zur Inventur benutzt wird. Sie befahl mir den Arm auszustrecken.
    »Warum?«
    Hier hatte sie offenbar keine Angst mehr vor mir. Plötzlich war ihre Hochnäsigkeit wieder zurückgekehrt. »Es ist ein Antichrist-Detektor.« Sie griff sich meinen Arm und glitt mit dem Gerät daran entlang. »Man überprüft damit, ob Sie das Zeichen der Bestie tragen.«
    Heiliger Strohsack, heutzutage kann man wirklich alles im Internet kaufen.
    Sie schob mir die Haare zurück und fuhr mir mit dem Gerät über Schläfen und Stirn. »Man kann damit Mikrochips und winzige Tätowierungen aufspüren.«
    Es war tatsächlich ein Strichcode-Lesegerät. Paxton verfolgte den Vorgang argwöhnisch. Er

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