Gottesopfer (epub)
von hier.
Plötzlich fühlte er sich beobachtet. Er lieà seinen Blick über die Zuschauer wandern. In der hintersten Reihe saà ein Mönch in einer schwarzen Kutte und zog seine Kapuze tief nach unten, als er bemerkte, dass Sam zu ihm sah. Sam bekam eine Gänsehaut. Wenn nicht hier, wo dann fühlt sich der Mörder am wohlsten, dachte er. Er bewegte sich vorsichtig auf die hintere Bank zu und bahnte sich einen Weg über die FüÃe der Zuschauer zu dem Mönch. Dieser erhob sich plötzlich, sprang über die Lehne der Bank und lief Richtung Ausgang. Sam sprang ebenfalls über die Lehne und setzte ihm nach. Jetzt hatte er ihn gleich! Er nahm immer zwei Stufen auf einmal und kam schlieÃlich völlig aus der Puste oben an. Dort blickte er in das grinsende Gesicht von Juri, der seine schwarze Kapuze nach hinten gezogen hatte.
»Sehr witzig«, sagte Sam und lehnte sich schwer atmend an die Mauer. Er musste dringend wieder Konditionstraining machen. Er fühlte sich wie ein alter Mann.
»Aber dein Instinkt funktioniert. Du hast gemerkt, dass ich dich die ganze Zeit beobachtet habe.«
»Wie lange bist du schon da?«
»Seit etwa zwei Stunden. Ich war schon lange vor dir wach, aber ich dachte, du bist gestern so spät angekommen, ich lass dich noch ein bisschen schlafen. Ich habe mir die Leute in diesem Perversenkeller da unten angesehen. Man hat das Gefühl, dass sich manche regelrecht aufgeilen.«
Immer noch auÃer Puste fragte Sam: »Warum hast du was ganz anderes an?«
»Hab ich nicht.«
Juri öffnete die schwarze Kutte. Darunter trug er ein ebenso farbenfrohes Kostüm wie Sam.
»Ich wollte nur mal sehen, ob du mich auch so erkennst«, meinte Juri grinsend.
Inzwischen war auch der Professor ins Freie getreten und begrüÃte Juri freundlich.
»Mir ist da noch etwas eingefallen, was interessant sein könnte für Sie. Die Folterinstrumente dort unten sind natürlich nur Replikate. Die echten sind im Burgmuseum ausgestellt, dort drüben. Doch es fehlten immer mal wieder ein paar Replikate nach unseren mittelalterlichen Festen.«
»Und was genau?«, fragte Sam interessiert.
»Vor zwei Jahren verschwand ein sogenannter Befragungsstuhl. Ein mit spitzen Holzpflöcken gespickter Holzstuhl. Die Hexe wurde nackt auf den Stuhl gebunden, die Holzdornen bohrten sich in ihr Fleisch. Der Stuhl verschwand spurlos, genau wie ein paar Eisenfesseln und diverse andere Teile. Man fragt sich bis heute, wie jemand, ohne gesehen zu werden, diesen Stuhl hier rausschaffen konnte.«
Sam nickte nachdenklich. Das war zwar ein guter Hinweis, doch waren bisher an keinem der Tatorte ein Stuhl dieser Art oder Eisenfesseln aufgetaucht. Auf einmal zweifelte er an der ganzen Aktion. Warum waren sie hier? Sie hatten angenommen, dass der Mörder ein Historien-Fan sei. Doch selbst wenn er hier war, wie sollten sie ihn unter all den Leuten erkennen? Dass er am helllichten Tag Folterwerkzeuge aus der Folterkammer schleppte, war wohl eher nicht zu erwarten.
Als die drei langsam zu den Verkaufsbuden gingen, kreuzten drei junge Hofdamen ihren Weg.
»Seid gegrüÃt, edle Herren«, sagte eine von ihnen lachend. Juri blieb sofort stehen und verabredete sich mit ihnen für den Abend zum groÃen Festschmaus im Palas.
Sam dachte an Lina. Gestern hatte er es nicht geschafft, sie anzurufen, und nun fiel ihm ein, dass er nicht einmal ihre Nummer hatte. Die stand zwar ordentlich getippt auf dem Vernehmungsprotokoll, doch das half ihm hier wenig. Er überlegte kurz, rief dann die Auskunft an und lieà sich mit dem Restaurant ihrer Mutter verbinden. Linas Mutter klang sehr nett und gab ihm, nachdem er erklärt hatte, dass er ein Freund ihrerTochter sei, bereitwillig ihre Handynummer. Doch dann verlieà ihn das Glück. Als er bei Lina anrief, teilte ihm eine automatische Stimme mit, dass der Gesprächspartner im Moment nicht erreichbar sei. Lina hatte das Handy also abgeschaltet. Er würde es später noch einmal versuchen.
Nachdem der Professor von einer Gruppe Ritter, offensichtlich ein paar seiner Studenten, aufgehalten worden war, erzählte Sam Juri von seinem Gespräch mit Schwester Maria. Dabei erinnerte er sich, was die Schwester über den Jungen und sein enges Verhältnis zu Pater Paul gesagt hatte: Pater Paul war wie ein Vater zu ihm. Hatte sich der alte Prior etwa einen Nachfolger herangezogen, ihm seine fixen Ideen
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