Gottesopfer (epub)
gespannt auf Sam und Juri, die sich als Grünschnäbel entlarvt hatten. An den Nebentischen begann ebenfalls ein Gerangel um die Fleischstücke, dabei kippten Weinkelche und Bierkrüge um, die Frauen quiekten, die Männer brüllten.
»Das ist jedes Jahr der reinste SpaÃ, vor allem wenn wir ein paar Frischlinge dabeihaben, wie euch«, sagte der Professor und kaute genüsslich auf seinem Stück Fleisch herum. Juri sah Saman, grinste und schwang sich über den Tisch, um der Hofdame, die er bereits näher ins Auge gefasst hatte, das Fleisch zu stibitzen. Doch die war schneller und zog ihren Teller nach hinten weg und lachte.
In diesem Moment kamen Musikanten in den Raum und begannen auf Flöten und Sackpfeifen altertümliche Melodien zu spielen. Juri hatte sich wieder auf seinen Platz gesetzt und sah auf seinen leeren Teller.
»Wie hast du dir eigentlich gedacht, unseren Mörder hier zu finden?«, fragte er leise und zeigte auf die ausgelassene Gesellschaft um sie herum.
»Gute Frage. Das sieht wohl eher schlecht aus. Aber immerhin haben wir erfahren, dass hin und wieder einige Folterinstrumente verschwunden sind. Vielleicht war er das ja, und wenn er einmal hier auf einem Fest war, sitzt er jetzt vielleicht auch unter uns. Komische Vorstellung, oder? Er weià nicht, wer wir sind, und wir nicht, wer er ist.«
»Ja, wer weiÃ, möglicherweise sitzt er sogar an diesem Tisch â¦Â« Juri sah einen Moment nachdenklich aus. Dann hob er seinen Becher, prostete Sam zu und setzte so schwungvoll an, dass ihm das Bier seitlich am Kinn herunterlief und auf den Tisch tropfte. »Ich könnte glatt ein Fan dieser Feste werden.« Er knallte den Becher auf den Tisch und schenkte sich erneut ein.
»Bevor ich es vergesse, ich habe dem Parkplatzwächter vorher einen Fünfziger gegeben. Er soll uns alle Kennzeichen aus Hamburg aufschreiben. Wie findest du das?« Juri lallte inzwischen leicht.
»Bin stolz auf dich.«
»Ich sage dir das nur, damit du die Liste nachher abholst, falls ich dazu nicht mehr in der Lage sein sollte.« Er grinste und zwinkerte der Hofdame in der Mitte zu, einem etwa zwanzigjährigen, unscheinbaren Mädchen, das nur darauf zu warten schien, dass Juri zum Angriff überging. Und wie nicht anders zu erwarten gewesen war, tat er das auch mit einem eher platten Kompliment für ihr Kleid. Sam überlegte kurz, ob es als Vorgesetzter seinePflicht wäre, Juri abzumahnen, da sie sich ja immerhin im Dienst befanden, entschied sich aber dagegen. Er glaubte nicht, dass Juris Einsatz heute noch gefragt war, und so lieà er ihm seinen SpaÃ.
Die Musik war lauter geworden, Paare tanzten, Frauen saÃen auf MännerschöÃen: eine fröhliche Gesellschaft, die für ein paar Stunden die Alltagsprobleme des 21. Jahrhunderts vergaÃ. Nur Sam drückte wieder einmal auf Wahlwiederholung und fing langsam an, sich Sorgen zu machen. Sie hatte ihr Handy immer noch nicht eingeschaltet. War sie vielleicht wütend, dass er einfach so verschwunden war? Oder bereute sie die Nacht mit ihm? Alles war möglich. Frauen waren schlieÃlich sehr kompliziert. Wenn man wirklich verstehen wollte, was in ihren Köpfen vorging, musste man sie ein Leben lang studieren, und er hatte sich nun einmal mehr mit Mördern und Psychopathen als mit Frauen beschäftigt.
Sam ging vor die Halle. Er rief noch einmal im Restaurant von Linas Mutter an. Als sie abnahm, konnte er im Hintergrund Musik und Stimmengewirr hören.
»Frau Lopez?«
»Ja?«
»Könnte ich mit Lina sprechen?« Sam ahnte bereits, was sie ihm antworten würde.
»Nein, sie ist nicht da«, sagte sie mit ihrem leichten spanischen Akzent.
»Hören Sie, wir haben schon einmal telefoniert. Sie haben mir netterweise Linas Handynummer gegeben. Ich versuche den ganzen Tag, sie zu erreichen, und mache mir langsam Sorgen.«
Einen Augenblick blieb es still in der Leitung. Dann hörte er Linas Mutter seufzen. »Ich versuche sie schon seit gestern zu erreichen. Ich mache mir auch groÃe Sorgen. Wissen Sie, ihr Herz â¦Â Wir haben Montag einen Termin â¦Â und sie wollte gestern Abend ins Restaurant kommen und tanzen â¦Â«
»Was ist mit ihrem Herz?«
»Sie hatte mit fünfzehn eine Herztransplantation, und mansagt, dass ein transplantiertes Herz schneller altert und nach etwa dreizehn Jahren ersetzt werden muss.«
Sam
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